Patentschutz für Erfindungen mit Algorithmen und KI
Patentschutz für Erfindungen rund um KI und Software ist grundsätzlich möglich, auch als deutsches oder europäisches Patent. Dafür ist es jedoch entscheidend, in der Patentanmeldung fachmännisch und strategisch zu denken und zu formulieren. Denn damit KI, Computermodelle, Software und Algorithmen mit Patenten geschützt werden können, sind die konkreten Voraussetzungen zu beachten und auch der gesamte Kontext in der Patentanmeldung.
Als Faustformel gilt, handelt es sich um reine Berechnungsmodelle wie es beispielsweise der Fall sein kann für k-Means, Kernel-Regression oder Diskriminanzanalyse, werden diese per se zunächst als von mathematischer Natur angesehen und damit als „nicht patentierbar“ – sogar dann, wenn sie „trainiert“ werden im Sinne von KI bzw. maschinellem Lernen.
Was also sind die Voraussetzungen für Patentschutz im Bereich KI und Software?
Insgesamt technischer Charakter - auch mit nicht-technischen Merkmalen
Zunächst einmal gilt für Erfindungen rund um KI und Software dasselbe wie bei jeder Erfindung, die patentfähig ist: der beanspruchte Schutzgegenstand muss einen insgesamt technischen Charakter haben (siehe bspw. European Patent Convention, Art. 52 Abs. 1, 2 und 3). Es können auch nicht-technische Merkmale enthalten sein, solange der insgesamt technische Charakter vorliegt.
Folgende Wege führen zu einem solchen technischen Charakter:
- Ein technischer Zweck
- Anspruchsmerkmale, die zum technischen Charakter der Erfindung beitragen
- Eine technische Umsetzung
- Die Verwendung eines technischen Mittels
Die Schwierigkeit für den Patentschutz von Erfindungen rund um KI, Algorithmen und Software liegt im Detail und im Kontext für den insgesamt technischen Charakter in der Patentanmeldung.
Algorithmen als Patent: Entscheidungspraxis des EPA
Am praktischen Beispiel wird dies deutlicher. Schauen wir uns dafür einmal die Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts (EPA) in Bezug auf Erfindungen im Bereich Algorithmen an. Unter „Typische technische Anwendung“ finden Sie einige der Erfindungen, in denen Algorithmen als patentfähig galten.
Algorithmus Erfindung: „Typische technische Anwendung“
- Neuronales Netz in der medizinischen Überwachung (z.B. zur Erkennung unregelmäßiger Herzschläge)
- Trennung von Quellen in Sprachsignalen; Spracherkennung, z. B. Zuordnung von Sprachinput und Textoutput
- Verschlüsselung/Entschlüsselung oder Signatur von elektronischen Nachrichten; Erzeugung von Schlüsseln in einem RSA-Verschlüsselungssystem
Zu diesem Thema finden sie auch ein aktuelles Youtube Video von uns:
Insilio Medicine - Wie patentiert man AI-generierte Erfindungen? aus unserem IP Update 11/23.
Algorithmen für Klassifizierung, Clustering, Regression und Dimensionalitätsreduktion gelten zunächst als nicht patentfähig; sie können nur patentfähig sein, wenn ein technischer Zweck bzw. technische Merkmale bestehen. Daher können Begriffe wie "Support Vector Machine", "Reasoning Engine" oder "Neural Network" je nach Kontext auf ein mathematisches und damit nicht patentfähiges Modell hinweisen oder aber Teil eines insgesamt technischen Gegenstands und damit patentfähig sein.
Wesentlich dabei ist, dass der technische Zweck spezifisch beschrieben ist in der Patentanmeldung.
Die Anwendung eines Computers - ist das ein 'technisches Mittel'?
Ein allgemein genannter Zweck wie "Steuerung eines technischen Systems" reicht oft nicht aus, um einem Algorithmus oder einer mathematischen Methode Patentfähigkeit zu verleihen. Und ebenso wenig reicht es aus, dass die Anwendung einer solchen Erfindung einen Computer erfordert. Erst wenn Gründe für die spezifische Anwendung eines Computers vorliegen, kann dies zur Patentfähigkeit beitragen. Technische Überlegungen müssen stets über die bloße Tatsache der Computer Anwendung hinausgehen (vgl. G 3/08, ABl. EPA 2011, 10, Gründe 13.5 und 13.5.1).
Auch dabei kommt es auf den Kontext in der Patenanmeldung an. Das Fallbeispiel T 1358/09 (Classification/BDGB ENTERPRISE SOFTWARE) vom 21.11.2014 zeigt, dass die Kammer des EPA zwar anerkannte, dass der beanspruchte Klassifizierungsalgorithmus zuverlässige und objektive Ergebnisse liefern kann. Das allerdings sei eine inhärente Eigenschaft deterministischer Algorithmen, entschied die Kammer, und daher nichttechnisch. Auch die bloße Tatsache, daß ein Algorithmus zu reproduzierbaren Ergebnissen führt, erfülle noch keinen technischen Charakter.
Letztlich wurde diese Erfindung abgewiesen, weil als einzig eine „digitale, in dem Computer stattfindende“ Anwendung als technisch anerkannt wurde. Aber natürlich ist es banal, dass ein Algorithmus digital ausgeführt wird, und entsprechend entschied die Kammer, dies sei als naheliegend für den Fachmann zu sehen. Die Patentanmeldung wurde zurückgewiesen.
Keine Relevanz hat im Übrigen auch der Vergleich mit dem, was ein Mensch tun würde oder mit dem, was aus dem Stand der Technik bekannt ist, für die Unterscheidung zwischen technischen und nichttechnischen Schritten. Denn die Bestimmung der Anspruchsmerkmale, die zum technischen Charakter der Erfindung beitragen, erfolgt grundsätzlich ohne eine Bezugnahme auf den Stand der Technik. Man kann also nicht erfolgreich argumentieren, man habe einen technischen Schritt vorzuweisen, weil die erfindungsgemäße Methode besser bzw. effektiver als anderes funktioniere.
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Update vom 5. Juni 2024:
Inzwischen ist die AI Guideline 2024 des EPA in Kraft, mit Präzisierung in Bezug auf die technische Wirkung und Offenbarung von Trainingsdaten einer KI. Lesen Sie gerne unseren Blog Artikel AI Guideline des EPA 2024.
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