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WTO-Panel wg. Patentrechten in China und Anti-Suit Injunction



Patentschutz für Algorithmen und KI

Die EU-Kommission wirft China vor, dass die chinesischen Gerichte seit August 2020 damit begonnen haben, sogenannte Prozessführungsverbote auszusprechen, vor allem gegen Unternehmen, die Patente im High-Tech Bereich Telekommunikation besitzen.

Möglich ist so ein Prozessführungsverbot durch eine Anti-Suit Injunction (ASI), also durch eine gerichtliche Unterlassungsverfügung, oftmals mit dem Ziel, Verfahren in anderen Staaten zu unterbinden. Zwar ist das dem Rechtsgedanken in Europa fremd, dennoch ist die ASI in China und auch in den USA zulässig.
In der Regel ist die Ausgangssituation für eine Anti-Suit Injunction eine nicht gelungene oder nicht ernsthaft verfolgte Lizenzvereinbarung für standard-essentielle Patente (SEP) gemäß FRAND (Fair, Reasonable and Non-Discriminatory).

SEP und FRAND


Entstanden ist dieses System SEP und FRAND auf Betreiben der Europäischen Kommission.

Grundsätzlich werden seit Ende der 90ger Jahre vor allem im Mobilfunkbereich Standard-Essentielle Patente (SEPs) vom Patentinhaber als 'wesentlich' an die Standardisierungsorganisation „European Telecommunications Standards Institute“ (ETSI) gemeldet. Damit gilt für diese Patente die Verpflichtung, sie zu FRAND Bedingungen an Wettbewerber zu lizensieren, also zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen. Dies ist von dem Gedanken getragen, dass die relevante Technik möglichst allen Mobilfunkunternehmen oder Netzwerkunternehmen über faire Lizenzen zur Verfügung gestellt wird und vor allem keine Mondpreise für wesentliche Technik Patente aufgerufen werden, die alle Marktteilnehmer benötigen.

Soweit die Theorie. In der Praxis allerdings führt diese Regelung seit Jahren zu großen Gerichtsverfahren, da entscheidende Kerngrößen nicht definiert sind im ETSI System: Was ist ein faires Angebot? Wie glaubhaft ist die Bereitschaft zur Lizenznahme, und wie muss diese Glaubwürdigkeit und Lizenzbereitschaft nachgewiesen werden?

Lizenzbereitschaft und Anti-Suit Injuction


Maßgeblich in dieser Frage ist das Urteil Huawei vs. ZTE des EuGH von 2015 (EU:C:2015:477) und das darin skizzierte „Pingpong“ Verfahren. Demnach kann ein SEP-Inhaber nur dann auf Unterlassung gegen einen Wettbewerber klagen, wenn er diesem bereits eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen angeboten hat,dieser sich aber als unwillig erwiesen hat, auf das Lizenz-Angebot einzugehen.

In der deutschen Rechtsprechung relevant ist vor allem die BGH Entscheidung Sisvel vs. Haier von 2020 (BGH, KZR 36/17), wonach es zum Beweis der Lizenzwilligkeit nicht ausreicht, eine solche Bereitschaft lediglich zu erklären. Vielmehr ist ein zielgerichtetes Mitwirken an Lizenzvertragsverhandlungen erforderlich (siehe auch High Court von England und Wales (J. Birss): "a willing licensee must be one willing to take a FRAND licence on whatever terms are in fact FRAND" (EWHC, Urteil vom 5. April 2017, [2017] EWHC 711 (Pat) Rn. 708 - Unwired Planet v Huawei).

Wenn eine Lizenzvereinbarung für ein SEP gemäß FRAND Bedingungen nicht zustande kommt, kann als strategisches Element die ASI eingesetzt werden. Besonders beliebt ist dieses Vorgehen im Wechselspiel von Inland und Ausland mit inzwischen schon bizarr zu bezeichnenden Steigerungen von ASI und Gegen-ASI bis zur Anti-Anti-Anti-Anti-Suit-Injunction (AAAASI).

Schauen Sie in diesem Kontext auch gerne unseren Video Clip "Anti-Anti-Anti-Anti-Suit Injunctions" an.

WTO-Panel wg. Patentrechten in China ist eingesetzt


Also beantragte die EU Kommission die Einsetzung eines WTO-Panels im Streit mit China um die Anti-Suit-Injunctions.
Vor allem erhebt die EU den Vorwurf, dass das Vorgehen Chinas unvereinbar sei mit dem Artikel XXII Absatz 1 des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens ("GATT") im Hinblick auf bestimmte Maßnahmen, die den Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums beeinträchtigen. China sei auch seinen Verpflichtungen aus den Artikeln 63.1 und 63.3 des TRIPS-Übereinkommens nicht nachgekommen, lautet der Vorwurf.

Die EU bezieht sich auf die Entscheidungen der chinesischen Gerichte aus dem Jahr 2020 in Bezug auf SEP Patente, konkret in den Fällen ZTE gegen Conversant, Xiaomi gegen InterDigital, Oppo gegen Sharp und Samsung gegen Ericsson. Ausgelöst wurde diese Auseinandersetzung mit China durch die Entscheidung des Obersten Volksgerichts Chinas (SPC) in der Rechtssache Huawei gegen Conversant vom 28. August 2020. Die Patentinhaber, die außerhalb Chinas vor Gericht gehen, müssten in China oft mit erheblichen Geldstrafen rechnen, was sie unter Druck setzt, sich auf Lizenzgebühren unterhalb der Marktpreise zu einigen, erklärte die EU bei ihrer Antragsstellung des Panels gegen China, den sie am 18. Februar 2022 stellte.

Monatelang führte die EU zu diesem Vorwurf Konsultationen mit China, doch ergebnislos. Mit der Einsetzung eines WTO - Panels in dieser Frage wird von der EU für diese Auseinandersetzung eine internationale Entscheidung ersucht. Am 20. Dezember 2022 stimmte das WTO der Einsetzung dieses Panels zu, doch China konnte diese Einsetzung einmalig zurückweisen.

Die Europäische Union beantragte daher zum zweiten Mal die Einsetzung eines Streitbeilegungspanels. Und das Streitbeilegungsgremium (DSB) des WTO stimmte zu: am 27. Januar 2023 wurde das Panel gegen China in dieser Frage eingesetzt.

In ca. 1,5 Jahren ist nun mit einer Entscheidung durch das Panel zu rechnen.

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(Hinweis: letztes Update an diesem Artikel erfolgte am 31- Januar 2023)

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