Aktuelles

BGH: Patenterschöpfung durch Verzicht auf Klageerhebung



BGH: Patenterschöpfung durch Verzicht auf Klage

Grundsätzlich gilt für die Patenterschöpfung, dass die Patentrechte mit dem ersten Verkauf oder dem ersten genehmigten (lizenzierten) Verkauf erschöpft sind. Um dies zu umgehen könnte man daran denken, eben keine Lizenz, sondern lediglich einen Nichtangriffspakt zu schließen, d.h. eine Vereinbarung zu treffen, nicht wegen Patentverletzung in Anspruch genommen zu werden (covenant not to sue).

Vor allem für die Branche von Mobilfunk und Telekommunikation mit den zahlreichen standard-essentiellen Patenten (SEP) nach FRAND Vorgaben ist dieses Vorgehen interessant. Allerdings wird die Rechtsprechung zur Patenterschöpfung in dieser Branche (wie auch in Bezug auf FRAND) immer umfangreicher, wie auch die hier vorgestellte aktuelle BGH Entscheidung CQI-Bericht II zeigt (BGH, X ZR 123/20 vom 24.01.23).

Worum geht es?


In der Sache betrifft die BGH Entscheidung das europäische Patent EP2294737, das ein Verfahren beschreibt zum Empfangen eines Steuerkanalsignals von einer Basisstation sowie ein mobiles Endgerät zur Durchführung dieses Verfahrens. Dieses Patent erlangte letztes Jahr große Bekanntheit in Deutschland, denn IP Bridge konnte damit eine deutsche Patentverfügung gegen Ford erwirken (IP Bridge v. Ford, 7 O 9572/21). Klägerin und Berufungsbeklagte vor dem Bundesgerichtshof ist das Unternehmen IP Bridge (Japan), die Beklagte ist HTC (Taiwan). Die unter anderem von der Beklagten gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage ist ohne Erfolg geblieben (BGH, Urteil vom 18. Januar 2022 - X ZR 14/20, CQI-Bericht).

Die Beklagte vertreibt in Deutschland Mobilfunkgeräte, die sie als kompatibel mit dem Standard "Long Term Evolution" (LTE) bezeichnet. Die Klägerin macht geltend, der Vertrieb dieser Geräte verletze das Klagepatent. Unterlassung, Rückruf und Vernichtung wurden gefordert, und das Berufungsgericht hatte den Klageanträgen vollständig stattgegeben (OLG Karlsruhe, 6 U 104/18). Dagegen wandte sich die zulässige Revision der Beklagten vor dem BGH.

Durfte sich die Beklagte auf Erschöpfung des Patents berufen wegen den Verträgen, die die Klägerin mit verschiedenen Herstellern von Chipsätzen geschlossen hat?

Patenterschöpfung wegen Verträgen der Klägerin mit Dritten?


In den Verträgen mit den beiden Herstellern der in den angegriffenen Mobilgeräten verwendeten Chipsätze hat sich die Klägerin verpflichtet, die Chipsatzhersteller erst nach allen Dritten in Anspruch zu nehmen, die wegen Verletzungshandlungen angegangen werden könnten (sogenannte ‚covenant to be sued last).

Das Berufungsgericht (das OLG Karlsruhe) hatte den Klageanträgen vollständig stattgegeben und festgestellt, dass eine Vereinbarung zum Verzicht auf Klageerhebung (covenant not to sue) ausreicht, um die Erschöpfung des Patents zu verhindern, und dass daher eine Vereinbarung, durch die eine Verletzungsklage aufgeschoben wird (covenant to be sued last), erst recht keine Erschöpfung der Patentrechte auslöst.

Dieser zentralen Feststellung des OLG Karlsruhe widersprach jetzt der BGH (BGH, Entscheidung X ZR 14/20, CQI-Bericht). Typisch für ein covenant not to sue ist nach Ansicht des BGH, dass die Verzichtserklärung in Bezug zu einer Verletzungsklage hinreichend erkennbar ist, dann sei eine zur Erschöpfung führende Zustimmung zu bejahen. Ein Vorbehalt von Rechten gegenüber Dritten stelle lediglich einen untauglichen Versuch dar, die Reichweite der Erschöpfung zu beschränken, erklärte der BGH. Die vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung, ein covenant to be sued last könne erst recht keine Erschöpfung auslösen, wurde daher vom BGH aufgehoben.

Der BGH ergänzte, eine Erschöpfungswirkung könne auch nicht deshalb verneint werden, weil die Chiphersteller, mit denen die Klägerin die Verträge geschlossen hat, keine Mobilfunkgeräte vertreiben, sondern lediglich Komponenten dafür. Die Erschöpfungswirkung ist grundsätzlich auf dasjenige Erzeugnis beschränkt, das mit Billigung des Schutzrechtsinhabers in Verkehr gebracht worden ist. Allerdings hatte die Beklagte in der Berufungsinstanz unbestritten vorgetragen, dass die wirtschaftlich allein sinnvolle Verwendung der in Rede stehenden Chipsätze in deren Einbau in mobile Endgeräte besteht. Dieser Umstand könnte dazu führen, erläuterte der BGH, dass eine Zustimmung der Klägerin zum Vertrieb der Chipsätze als konkludente Zustimmung zum Vertrieb von damit ausgestatteten Mobilfunkgeräten auszulegen ist.

Fall wird an das Berufungsgericht zurückverwiesen


Der Fall wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Vor allem muss das Berufungsgericht Feststellungen zum konkreten Inhalt der Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Chipherstellern treffen. Nachdrücklich soll das nicht allein auf theoretisch denkbare Verläufe abzustellen sein, sondern vielmehr auf realistische Annahmen für einen „üblicherweise zu erwartenden Verlauf“ in Bezug auf eine Verletzungsklage. Konkret wird das OLG Karlsruhe zu prüfen haben, ob die Chiphersteller bei einem normal zu erwartenden Verlauf der Ereignisse befürchten müssen, wegen einer Verletzung des Klagepatents verklagt zu werden.
Dass der unmittelbare Begünstigte der Klageabrede zuletzt verklagt wird, reicht demnach nicht aus, um die Erschöpfung zu vermeiden - es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die etwas anderes nahelegen.

Wir sind eine Patentanwaltskanzlei mit ausgezeichneter Fachkenntnis zu computer-implementierten Erfindungen. Gerne vertreten wir auch Parteien in Nichtigkeitsverfahren und Beschwerde- oder Einspruchsverfahren.
Bei Fragen oder für weitere Informationen nehmen Sie bitte Kontakt zu uns auf, gerne telefonisch unter +49 (0)69 69 59 60-0 oder unter info@kollner.eu.


Mehr News

Unsere Stärken

Next

Kontakt

Wir bevorzugen den persönlichen Kontakt. Bitte zögern Sie nicht, uns per Telefon oder Email zu kontaktieren.

Telefon: +49 (0)69 69 59 60-0
Telefax: +49 (0)69 69 59 60-22
e-mail: info@kollner.eu

Sie finden uns in der Vogelweidstrasse 8 in 60596 Frankfurt am Main