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Patentanspruch: Zweck Erfüllung durch Ausführungsform – funktionale Anforderung?



Patentanspruch: Zweck Erfüllung durch Ausführungsform – funktionale Anforderung?

Ist der Zweck der Ausführungsform als funktionale Anforderung zu sehen? Dies stand im Mittelpunkt einer aktuellen Leitsatzentscheidung des OLG Düsseldorf zu Zweck- und Funktionsangaben in einem Patentanspruch.

Der Patentanspruch ist nicht nur wesentlich bei der Patentanmeldung, sondern auch in Verfahren um eine mögliche Patentverletzung. Denn wenn laut Anspruchsmerkmal ein bestimmter Zweck durch ein Merkmal erreicht werden soll, dann sind auch nur genau solche Ausführungsformen als patentverletzend anzusehen, bei denen sich eine den bestimmten Zweck gewährleistende Ausbildung eben dieses Merkmals feststellen lässt.
Das gilt auch dann, wenn die hierfür möglichen Ausgestaltungen im Patent nur beispielhaft genannt sind.

Diese Feststellung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in der Entscheidung 4b O 20/23 vom 04.04.2024 getroffen, als Leitsatzentscheidung zu Zweck- und Funktionsangaben im Patentanspruch.

Der Sachverhalt


Das Klagepatent betrifft ein drehantreibbares spanabhebendes Werkzeug, mit integrierter Kühl/Schmiermittelversorgung. Und die Beklagten bieten in der Bundesrepublik Deutschland Fräswerkzeuge mit integrierter Kühl-/Schmiermittelversorgung an, die Beklagte zu 2) stellt diese in der Bundesrepublik Deutschland zudem her.

Die Patentinhaberin nahm die Beklagten wegen Verletzung des Klagepatents (dem deutschen Teil eines europäischen Patents) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Feststellung der Schadenersatzpflicht und Vernichtung (nur die Beklagte zu 2)) sowie auf Rückruf in Anspruch. Die Klägerin machte geltend, dass die Beklagten eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents begehen.

Vor dem OLG Düsseldorf ging es daher um die Frage, ob die angegriffenen Ausführungsformen der Beklagten von der patentrechtlich geschützten Lehre der Ausführungsformen der Klägerin Gebrauch machen.

Im Patentanspruch sind funktionale Anforderungen enthalten


Das erstinstanzliche Landgericht Düsseldorf hatte dies verneint und die Klage abgewiesen. Das vom Klagepatent erstrebte Strömungsprofil (das Kühl-/Schmiermittel soll die Austrittsöffnungen als ein gerichteter Strom verlassen) lasse sich – insbesondere wenn das Schneidteil in die Bohrung eingetaucht sei – nicht bzw. nicht sicher erzeugen, wenn die Kühl-/Schmiermittelstrahlen wahllos auf die Spannuten träfen. Ausgehend von einem solchen Verständnis fehle es bei der angegriffenen Ausführungsform bereits an der Ausbildung einer der Anzahl der Spannuten entsprechenden Anzahl von Kühl-/Schmiermittelkanälen.

Die Klägerin widersprach und legte Berufung vor dem OLG ein. Das Landgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Anzahl an Kühl-/Schmiermittelkanälen mit der Anzahl an Spannuten gleichzusetzen sei.

Dem Klagepatent lasse sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht entnehmen, dass Kühl-/Schmiermittel in erheblichem Umfang in die Spannut eingespeist werden müsse, um die gewünschte Funktionsweise zu erzielen.

Die Auslegung des Landgerichts sei schließlich von einem unzutreffenden Verständnis des Begriffs des „Kühl-/Schmiermittels“ geprägt, weil unberücksichtigt bleibe, dass darunter nicht nur der flüssige, sondern auch – falls vorhanden – der gasförmige Anteil des aus den Kanälen austretenden Fluids zu verstehen sei.

Daher machten die angegriffenen Ausführungsformen der Beklagten von allen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch, machte die Klägerin geltend.

Doch das OLG Düsseldorf bestätigte die Entscheidung des Landgerichts.

OLG Düsseldorf: konkrete Festlegung im Patentanspruch


Das OLG Düsseldorf erläuterte, dass nach der konkreten Festlegung im Patentanspruch des Klagepatents das Kühl-/Schmiermittel explizit in den Anfang einer Spannut eingeleitet und diese nahezu komplett auffüllen muss, um ein adäquates Strömungsprofil zu erzeugen und Späne abzutransportieren. Davon sei das Landgericht zutreffend grundsätzlich ausgegangen.

Die Kühl-/Schmiermittelkanäle müssen gemäß dem Patentanspruch so konstruiert sein, dass sie die beschriebene Funktionalität im normalen Betrieb des Werkzeugs sicherstellen, die Einspeisbarkeit. Sie müssen eine konkrete räumlich-körperliche Form aufweisen und dafür spezifische funktionale Anforderungen erfüllen, und zwar unabhängig vom primären Einsatzweck des Werkzeugs, erklärte das OLG Düsseldorf.

Das Klagepatent befasst sich mit zwei möglichen Ausgestaltungen, um insbesondere die Vorgaben dieses Merkmals erfüllen zu können:
Die Kühl-/Schmiermittelkanäle und die jeweils zugeordneten Spannuten können gemäß Patentanspruch
i) in der axialen Projektion (vollständig) überlappen und somit beispielsweise in axialer Richtung fluchten, was sowohl in radialer Richtung als auch in Umfangsrichtung eine entsprechende Positionierung von Kühl-/Schmiermittelkanälen und Spannuten voraussetzt

oder

ii) bei einem deutlichen Versatz zwischen Kanälen und Spannuten unter einem Anstellwinkel zu den jeweils zugeordneten Spannuten angeordnet sein, so dass ungeachtet des radialen Versatzes jeder Strahl die zugeordnete Spannut trifft.

In Ausführungsformen, in denen aufgrund eines radialen Versatzes von Austrittsöffnungen und Spannuten die austretenden Kühl-/Schmiermittelstrahlen die Spannuten verfehlen, sieht das Bundespatentgericht Merkmal 5.4. folgerichtig als nicht offenbart an (vgl. Urteil BPatG, S. 21/22).

Ausgehend von diesem Verständnis machen die angegriffenen Ausführungsformen, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, von der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 in seiner eingeschränkten Fassung nicht wortsinngemäß Gebrauch.

Die Klage wurde daher vollständig abgewiesen (OLG Düsseldorf, 4b O 20/23).

Zweck- und Funktionsangaben im Patentanspruch – der Leitsatz dieser Entscheidung:


„Soll der in einem Anspruchsmerkmal genannte Zweck nach den Vorgaben des Anspruchs durch die Ausbildung eines bestimmten Vorrichtungsbestandteils (hier: der Kühl-/Schmiermittelkanäle) erfüllt werden, muss sich – auch wenn die hierfür möglichen Ausgestaltungen des Bestandteils im Patent nur beispielhaft beschrieben werden – eine die Erfüllung der Vorgaben gewährleistende Ausbildung eben dieses Bestandteils feststellen lassen.

Für die Darlegung einer Merkmalsverwirklichung reicht es daher nicht aus, den Eintritt des erstrebten Erfolgs und damit die objektive Eignung der Vorrichtung als solcher aufzuzeigen.
Der Vortrag muss sich vielmehr auch zu der räumlich-körperlichen Ausbildung des im Anspruch genannten Vorrichtungsbestandteils und zu der durch diese Ausgestaltung bewirkten Eignung zur Erzielung des erstrebten Erfolgs verhalten.“

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