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Wasser-Scooter: Gestaltungsfreiheit des Designers



Design Wasser-Scooter: Gestaltungsfreiheit des Designers

Geht es in einem Nichtigkeitsverfahren um ein als Gemeinschaftsgeschmacksmuster eingetragenes Design, das möglicherweise ein älteres Design nachahmt, ist neben dem Gesamteindruck auch die Gestaltungsfreiheit des Designers relevant.

So ist es auch in der aktuellen Entscheidung, die das Europäische Gericht (EuG) am 6. September 2023 über ein eingetragenes Design eines Wasser-Scooters getroffen hat. Interessant in dieser Entscheidung zum Nichtigkeitsverfahren ist die Auslegung der Gestaltungsfreiheit des Designers.

Gestaltungsfreiheit des Designers


Die Gestaltungsfreiheit des Designers kann ambivalent ausgelegt werden. Denn der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers ist laut Rechtsprechung ein Faktor, der die Schlussfolgerung in Bezug auf den beim informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindruck untermauern oder, im Gegenteil, nuancieren kann (vgl. Urteil vom 6. Juni 2019, Kraftfahrzeuge, T 209/18).

Einerseits man kann argumentieren, gerade mit einem weiten Maß als Gestaltungsfreiheit würde ein informierter Benutzer über kleine Unterschiede hinwegsehen. Sind sich in hoher Gestaltungsfreiheit zwei Designs ziemlich ähnlich und ohne deutliche Unterschiede, würden sie bei einem Benutzer denselben Gesamteindruck hervorrufen.

Dies ist auch der Grundsatz in der Rechtsprechung, es ist der Grundsatz der umgekehrten Proportionalitätsregel. Demnach gilt, je größer die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist, desto weniger reichen kleine Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern aus, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen ((vgl. Urteil vom 13. Juni 2019, Informationstafeln für Fahrzeuge, T 74/18).

Andererseits kann es sich bei der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers um einen Faktor handeln, der es ermöglicht, die Beurteilung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters zu nuancieren, und nicht um einen eigenständigen Faktor. Für eine solche Auslegung spricht vor allem, wenn für den Entwurf des Designs Zwänge vorgegeben sind durch technische Funktionen von Bestandteilen. Solche Erfordernisse führen nach Rechtsprechung zu einer Vereinheitlichung bestimmter Merkmale, die dann den Geschmacksmustern, die für das betreffende Erzeugnis verwendet werden, gemeinsam sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2003 in der Rechtssache T-193/20, Eternit/).

Wie also hat das Europäische Gericht (EuG) zu dieser Frage in seiner aktuellen Wasser-Scooter Entscheidung festgelegt?

Die Streitparteien


Streitparteien um das Design Wasser-Scooter sind die Inhaberin des älteren Gemeinschaftsgeschmacksmusters, die Cayago Tec GmbH (Deutschland), und die Inhaberin des später eingetragenes Designs, die iAqua (Shenzhen) Ltd, (China). Die Cayago Tec GmbH stellte in 2019 einen Antrag auf Nichtigkeit gegen das im Juli 2019 das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster eines Wasser-Scooters mit Verweis auf die eigenen älteren geschützten Designs.

Ist das angefochtene Design des Wasser-Scooters eine unrechtmäßige Nachahmung?

Zur Begründung ihrer Klage berief sich Cayago Tec auf die Rechtsstreitigkeiten zwischen ihr und der iAqua Ltd. in Deutschland, Spanien und Frankreich sowie auf die EUIPO Entscheidung vom 22. November 2006 (Sache R 196/2006-3) zwischen den beiden Streitparteien.

Das Inverkehrbringen der Waren der chinesischen Streithelferin in Deutschland sei zudem im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorläufig untersagt worden.

Zudem wurden die Waren der iAqua auf den Bootsmessen in Cannes (Frankreich) im September 2019 und in Barcelona im Oktober 2019 präventiv beschlagnahmt. Nach Ansicht der deutschen Beschwerdeführerin bestätigt dies das Vorliegen von Verstößen von iAqua.

Gesamteindruck: wie ähnlich sind die Wasser-Scooter Designs?


Das Europäische Gericht stellte - wie die EUIPO Beschwerdekammer- einen weiten Grad der Gestaltungsfreitheit für den Designer fest und dass der Hauptunterschied zwischen den fraglichen Geschmacksmustern in ihrem vorderen Teil besteht (das jüngere Design mit abgewinkelter Nase mit zwei seitlichen Düsen, das ältere Design Geschmacksmuster eine glatte, abgerundete Nase). Dies verleihe dem angefochtenen, jüngeren Gemeinschaftsgeschmacksmuster ein sportlicheres Aussehen, erklärte das EuG. Das Gericht nannte noch weitere Unterschiede, so die Gestaltung des Stützbereichs für den Rumpf und die Linienführung des hinteren Teils.

Wasser-Scooter Ähnlichkeit: die beiden Designs im direkten im Vergleich

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin handelt es sich nach Ansicht des EuG im vorliegenden Fall nicht um nebensächliche Details, die dem angegriffenen Geschmacksmuster keinen Gesamteindruck verleihen, der sich von dem durch die älteren Geschmacksmuster hervorgerufenen unterscheidet.
Vielmehr seien dies wesentliche Unterschiede, die gegenüber den sich überschneidenden Elementen der fraglichen Modelle überwiegen, zumal sich einige dieser Unterschiede nicht nur auf das Aussehen der Waren, sondern auch auf ihren Komfort auswirken. Ein informierter Benutzer würde dies bemerken und daher einen anderen Gesamteindruck wahrnehmen als bei dem älteren Gemeinschaftsgeschmacksmuster.

Verfahren vor den nationalen Gerichten – Sachverständigengutachten


Das übrige Vorbringen der Cayago Tec GmbH wurde vom EuG zurückgewiesen.

Verfahren vor den nationalen Gerichten haben keine Bindungswirkung für das EUIPO (siehe u. a. Urteil vom 9. Februar 2017, Gobelets, T-16/16). Daher können sie die Beurteilung der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage stellen und jedenfalls deren Rechtmäßigkeit nicht beeinträchtigen.

Ebenso wenig Erfolg hatte das Vorlegen eines Gutachtens, das den Gesamteindruck der Ähnlichkeit der fraglichen Designs Wasser-Scooter bestätigt. Zwar können Gutachten als Beweismittel eingebracht und verwendet werden (nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 6/2002). Aber es ist nach der Rechtsprechung nicht Sache eines Sachverständigen, rechtliche Beurteilungen, insbesondere zur Eigenart des angefochtenen Geschmacksmusters, vorzunehmen. Dies gelte auch, erklärte das EuG, obwohl das Gutachten Feststellungen enthält, die nicht rechtsunwirksam sind.

Und auch die EUIPO Entscheidung zwischen den beiden Streitparteien vom 8. August 2022 (Rechtssache R 952/2021-3), könne nicht herangezogen werden, erklärte das EuG. Denn das EUIPO habe mit dieser Entscheidung die Behandlung dieser Rechtssache gerade bis zur Entscheidung des Gerichts, mit der der Rechtsstreit im vorliegenden Fall beendet wird, ausgesetzt.

Die Klage der Cayago Tec GmbH wurde daher vollständig zurückgewiesen und die Zurückweisung des Antrags auf Nichtigkeit gegen das jüngere Gemeinschaftsgeschmacksmuster bestätigt (EuG, 6. September 2023, T 377/22).

Diese aktuelle Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig in Verfahren um Designs eine gute Argumentation ist. Unsere Patentanwaltskanzlei ist darin sehr erfahren. Wir beraten und vertreten Sie gerne in einem solchen Fall und in allen anderen Fragen rund um Designschutz.

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