WTO Neuerungen: Patentschutz für COVID Impfstoffe
Klarstellung und Fakten
Mit viel Publicity wurde am 17. Juni 2022 auf der zwölften WTO Ministerial Konferenz beschlossen, den Patentschutz für Corona Impfstoffe für den Zeitraum von fünf Jahren auszusetzen: So meldeten es die Presseagenturen.
Tatsächlich handelt es sich aber nicht um eine Aussetzung des Patentschutzes, sondern um eine Änderung der Voraussetzung für Zwangslizenzen unter speziellen Bedingungen. Richtig ist, dass auf der jetzigen 12. Ministerial Konferenz die Hürden für Zwangslizenzen abgesenkt wurden – als Ausnahme in der besonderen Corona Situation und für 5 Jahre (mit möglicher Verlängerung, wenn die Corona Situation dies erfordert).
Eine sehr gute Erklärung zu diesem Thema finden Sie auch in dem hier verlinkten Video Beitrag „IP Update: Patent Waiver auf COVID-Patente“.
Zwangslizenzen für Corona Impfstoffe - Rechtliche Fakten
Das Patentschutzabkommen der Welthandelsorganisation (WTO), das sogenannte TRIPS-Abkommen für Gestiges Eigentum, also für Patente, Marken, Designs und Copyright, bietet grundsätzlich einen Ansatz, um Patentschutz zeitweilig oder für bestimmte Regionen aufzuheben. Gemäß Artikel 31 des TRIPS-Abkommens können Zwangslizenzen an Patenten erteilt werden. In einem solchen Fall wird der Patentschutz nicht ausgesetzt, sondern die lizensierte Nutzung des patentgeschützten Produktes oder Verfahrens unter definierten Bedingungen verordnet.
WTO Erklärung vom 17. Juni 2022 – im Klartext
Mit ihrer Erklärung vom letzten Freitag (TRIPS Agreement WT/MIN(22)/W/15/Rev.2 vom 17. Juni 2022) ging die Ministerial Konferenz der WTO noch weiter. Die Hürden für Zwangslizenzen, die nach Art. 31 TRIPS schon immer möglich waren, sollen nun weiter abgesenkt werden. Dies soll laut Erklärung nur im Rahmen der weltweiten Sondersituation infolge COVID-19 gelten.
Wichtige Neuerungen zum Artikel 31 TRIPS laut WTO Erklärung sind:
I) Die Hürden für Zwangslizenzen werden gesenkt für COVID-19-Impfstoffe (und zwar für Rohstoffe/Inhaltsstoffe und Verfahren, die für die Impfstoffproduktion nötig sind).
In sechs Monaten soll dann über die Ausweitung dieser Regelung auch in Bezug auf COVID-19-Diagnostika und -Therapeutika entschieden werden.
II) Beschränkt sein soll dies nur auf Entwicklungsländer unter den WTO Mitgliedern, und zwar nur auf diejenigen unter ihnen, die bisher noch keine eigenen Kapazitäten zur Impfstoffherstellung haben. Es heißt dazu wörtlich, dass die WTO Entwicklungsländer berechtigt sind (und das sind mehr als zwei Drittel aller WTO Mitgliedsstaaten, u.a. China, Indien und Südafrika), Länder mit "bestehenden Produktionskapazitäten“ jedoch ermutigt (engl: „encouraged“) werden, sich "verbindlich zu verpflichten, diese Entscheidung nicht in Anspruch zu nehmen". Im Klartext wäre demnach Indien nicht berechtigt zu erleichterten Nutzung von Zwangslizenzen, Südafrika anscheinend schon – obwohl von diesen beiden Ländern der Vorstoß zu dieser WTO Entscheidung eingebracht worden war.
III) Die Ausfuhr von COVID Impfstoffen in andere Entwicklungsländer ist erlaubt. Untersagt ist jedoch der weitere Export des Impfstoffs, den man unter dieser Entscheidung von einem anderen Land erhalten hat.
IV) Bei der Vergütungsfestlegung soll vor allem das COVAX System berücksichtigt werden und Leitlinien der WHO und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP): es soll vor allem verhindert werden, dass die COVAX Initiative Lizenzgebühren an die Patentinhaber zu zahlen hat. Im Übrigen können die WTO Mitglieder auf bewährte Praktiken zur Festlegung der Vergütung auf Zwangslizenzen zurückgreifen.
V) Der Zugang zu einer Zwangslizenz wird ebenfalls vereinfacht: anders als ansonsten bei Zwangslizenzen, muss der Nutzer von patentgeschützten Stoffen oder Verfahren für COVID Impfstoffe den Patentinhaber nicht zunächst um eine Lizenz bitten. Die Zwangslizenz kann nun einfach – beispielsweise durch ein nationales Dekret in einem zur Zwangslizenz berechtigten WTO Staat – verfügt werden.
Zwangslizenzen für mRNA Patente
Unklar bleibt trotz der WTO Neuerungen, wie faktisch ein „Aussetzen von Patentschutz“ in Bezug auf mRNA basierte Corona Impfstoffe umgesetzt werden soll. Pfizer hat bereits im Mai 2021 darauf hingewiesen, dass für den Impfstoff von BioNTech/Pfizer 280 Komponenten von 86 Zulieferern erforderlich sind – es handelt sich um eine komplexe Technologie, die ohnehin nur mit einem globalen Netzwerk von Zuliefern umgesetzt werden kann. Denn mRNA ist von Natur aus extrem kurzlebig und kann therapeutisch nur verwendet werden, wenn sie über spezielle Lipide und weitere Komponenten stabilisiert wird.
Allein dies wirft die Frage auf, für welche der 280 Komponenten eine Zwangslizenz erwirkt werden soll – und wie eine solche Technologie überhaupt im Sinne des Artikel 31 etabliert werden soll oder kann in Entwicklungsländern, die bisher noch keine Kapazitäten für eine Impfstoffproduktion haben.
Wir sind eine erfahrene Patentanwaltskanzlei in Frankfurt am Main. Für weitere Informationen zum Patentschutz setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung und erhalten Sie ein Angebot unter info@kollner.eu.
Quelle für diesen Text ist die WTO Erklärung ('Draft') vom 17. Juni 2022