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Neuer WIPO Vertrag über Bio Gene und traditionelles Wissen – neu gegenüber Nagoya?



WIPO-Treaty Genetische Ressourcen und traditionelles Wissen – neu gegenüber Nagoya-Protokoll?

Für die Nutzung von Pflanzen, Tieren und deren genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen darum gibt es seit dem 24. Mai 2024 ein neues WIPO-Treaty. Warum brauchte es überhaupt dieses neue WIPO-Treaty, wenn doch das Nagoya-Protokoll den Zugang und Schutz von genetischen Ressourcen und darauf beruhendem Wissen bereits seit 10 Jahren international regelt?

Nagoya-Protokoll: Schutz von genetischen Ressourcen und darauf beruhendem Wissen


Maßgeblich für Deutschland sind die Bestimmungen des „Gesetzes zur Verpflichtungen nach dem Nagoya-Protokoll“ (NagProtUmsG) vom 1. Juli 2016. Für die Umsetzung ist das Bundesamt für Naturschutz zuständig mit Befugnissen, die bis zur Beschlagnahmung und Untersagung von Nutzungen reichen (§§ 1(3) und 2(2) dieses Gesetzes.). Kontrollmechanismen sind geregelt über die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 („EU-ABS-Verordnung“).

Der Gesetzestext bezieht sich auf die Nutzung von biologischem Material sowie traditionellem Wissen zu Forschungs- und industriellen Zwecken – doch weist er keinen ausdrücklichen Bezug auf das Patentrecht auf.

Das neue Treaty der WIPO vom 24. Mai 2024 scheint diese Lücke füllen zu wollen.
Allerdings stellen sich auch mit neuem WIPO-Treaty noch einige Fragen, denen wir hier nachgehen.

WIPO-Treaty: Verhinderung von Bio-Patenten ohne Herkunftsoffenlegung


So ist gleich unter Artikel 1 und den Zielen dieses WIPO-Treaty zu lesen, dass Ziel sei „zu verhindern, dass Patente irrtümlich für Erfindungen erteilt werden, die nicht neu oder erfinderisch sind gegenüber traditionellem Wissen im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen“.

Es soll also verhindert werden, dass Dritte Pflanzen, Tiere oder traditionelles Wissen aus fernen Gebieten für Patentanmeldungen nutzen (ein als „Bio-Piraterie“ bezeichnetes Vorgehen), ohne diese Nutzung zu nennen und ohne mit den Bewohnern dieser Gebiete ein Abkommen über eine Nutzung zu schließen.

Die Pflicht, diese Herkunft zu offenbaren, liegt jedoch bei den potentiellen Patenanmeldern. Das wirft für die Praxis vor allem die Frage auf, wie denn eine Nicht-Beachtung geahndet würde. Dies ist in Artikel 5 des WIPO-Treaty ausgeführt.

Sanktionen bei Nicht-Beachtung der Auskunftspflicht


Die wesentlichen Punkte in Artikel 5 des WIPO-Treaty sind:

- Sanktionen dürfen nicht sofort verhängt werden bei Nicht-Beachtung der Auskunftspflicht.
- Dem Patentanmelder muss immer Gelegenheit gegeben werden, diese Auskunft nachzureichen
- Nur wenn in betrügerischer Absicht die Auskunftspflicht unterlassen wurde, können die Staaten Sanktionen verhängen gemäß ihren nationalen Rechtsvorschriften.

Man sieht also, dass vor allem Wert darauf gelegt wird, die Offenlegung der Herkunft durchzusetzen, nicht aber – wie Artikel 1 auch interpretiert werden könnte – um Patentanmeldungen zu verhindern oder bestehende Patente zu vernichten. Es muss (engl.: „shall“) dem Patentanmelder ermöglicht werden, die bisher nicht beachtete Auskunft nachzureichen. Dies ist als praxisnah und realitätsnah zu werten, umso mehr, als die Bewertung von traditionellem Wissen und der Feststellung, ob dieses Wissen zum Zeitpunkt der Patentanmeldung bekannt und öffentlich zugänglich war, sich eher heikel und schwierig darstellt.

Nagoya-Protokoll und EPÜ


Hinzu kommt, was schon beim Nagoya-Protokoll gilt: Das EPÜ beispielsweise ist ein multilaterales, internationales Abkommen, das unabhängig von der EU geschlossen wurde. Daher haben in Verfahren vor dem EPA von der EU erlassene Richtlinien in der Regel keine Auswirkung auf die Auslegung von Rechtsnormen des EPÜ. Zwar könnte für die Berücksichtigung der Vorschriften des Nagoya-Protokolls der Art. 53(a) EPÜ Anwendung finden (Sittenwidrigkeit). Es wäre zu entscheiden, ob die unerlaubte Verwendung biologischen Materials mit dem Ziel, ein Monopol zu erhalten, sittenwidrig bzw. gegen die öffentliche Ordnung gerichtet ist (siehe „10 Jahre Nagoya-Protokoll – Eine Bestandsaufnahme“, Bernd Fabry in den Mitteilungen Deutscher Patenanwälte vom Februar 2024, Seiten 50-51) – ein sehr sensibles Thema, das bis ins Politische reicht.

Übrigens haben weder die USA und Kanada noch Russland das Nagoya-Protokoll ratifiziert. Auch dies ist eine Frage, die sich ebenfalls zu dem gerade beschlossenen WIPO-Treaty stellt: Für wen wird diese gerade beschlossene WIPO-Treaty verpflichtend sein? Wer ratifiziert, wer nicht? Haben die nicht-ratifizierenden Staaten Wettbewerbsvorteile in einem Technologie-Bereich mit hoher Dynamik?

Bringt das WIPO-Treaty mehr Gerechtigkeit?


Und kann dieses WIPO-Treaty den an biologischen Ressourcen und traditionellem Wissen reichen Ländern mehr Souveränität und sogar wirtschaftlichen Benefit über Nutzungsabkommen verschaffen? Ist das überhaupt das Ziel?

Im Rahmen des Nagoya-Protokolls war dies zumindest als Ziel genannt. Seit der UN Konferenz für Biodiversität von 1992 ist eine ausgewogene und gerechte Verteilung der aus der Nutzung gewonnenen Gewinne (“Access and Benefit Sharing“ (ABS)) erklärtes internationales Ziel.

Der Blick auf das Nagoya-Protokoll lädt allerdings nicht zu Optimismus ein. Weder konnte der Verlust der biologischen Vielfalt weltweit aufgehalten werden, noch sind nennenswerte Geldbeträge auf der Grundlage des Nagoya-Protokolls in Entwicklungsländer geflossen (siehe „10 Jahre Nagoya-Protokoll – Eine Bestandsaufnahme“, Bernd Fabry in den Mitteilungen Deutscher Patenanwälte vom Februar 2024, Seite 52).
Auch aktuell wird weiter nach einer gerechten Verteilung gesucht. Im April 2024 fanden gerade neue internationale Treffen statt zur Weiterentwicklung des ABS-Systems, weitere Treffen sind geplant bis Ende 2025.

Schneller technologischer Fortschritt: Digital Sequence Information


Zudem ist in der Praxis fraglich, ob es durch den schnellen technologischen Fortschritt überhaupt noch zu einer geographisch klaren Festlegung kommen kann. Die Regelungen im Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und im Nagoya-Protokoll beziehen sich auf genetische Ressourcen in Form von physischem Material. Neue Techniken machen es aber bereits möglich, neue Produkte rein auf der Grundlage von digitalen Informationen über die molekulare Zusammensetzung von genetischen Ressourcen zu entwickeln – ohne das genetische Material vom Bereitstellungsland direkt bezogen zu haben

Dieser Aspekt wird im neuen WIPO-Treaty in Artikel 3 berücksichtigt. Darin heißt es, wenn das Ursprungsland der genetischen Ressourcen nicht bekannt ist, soll die Quelle der genetischen Ressourcen offenbart werden (engl: „source of the genetic resources“).
Doch ist damit der biologische Organismus gemeint, auf den die genetische Ressource zurückgeht? Oder ist in Sequenzprotokollen genau zu erklären, auf welchem Weg man die Sequenz erhalten hat? Hier hätte man sich noch mehr Klarheit gewünscht in dem neuen WIPO-Treaty.

Ausdrücklich heißt es dort, dass die (Patent-) Ämter nicht verpflichtet sind, die Echtheit dieser Auskunft zu überprüfen. Die Auskunft ist von den Vertragsparteien in Übereinstimmung mit den Patentverfahren zu veröffentlichen, unbeschadet des Schutzes von vertraulichen Informationen.

Auch dies ist als Hinweis zu verstehen, dass Patentanmeldungen mit Bezug auf genetische Ressourcen aus dritten Ländern mit dem neuen WIPO-Treaty nicht verhindert werden sollen. Die Auskunftspflichten zur Herkunft der genetischen Ressourcen sollen jedoch nicht zur Mehrbelastung für die Patentämter werden.

WIPO-Treaty Genetische Ressourcen und traditionelles Wissen - Konsequenz für Patentanmelder?


Wichtig für Patentanmelder ist zu wissen, dass sie in der EU und in Deutschland bereits seit dem Nagoya-Protokoll verpflichtet sind, die Herkunft offenzulegen (in DE zwar ohne Selbstverpflichtung zur Auskunft, aber bei Nachfrage durch das BfN besteht Pflicht zur Auskunft. Und nach Verordnung (EU) Nr. 511/2014 („EU-ABS-Verordnung“) ist die Selbstauskunft ohnehin Pflicht). Unwissenheit schützt nicht, es besteht die Pflicht, die Herkunft der genetischen Ressourcen zu klären und bekannt zu geben.
Und dies wird auch durch das neue WIPO-Treaty bestätigt (WIPO-Vertrag über Geistiges Eigentum, Genetische Ressourcen und damit verbundenes traditionelles Wissen, angenommen auf der Diplomatischen Konferenz in Genf am 24. Mai 2024).

In diesem Kontext ist für Sie vielleicht auch interessant:

- Patentanwalt Malte Köllner - G 3/19 - Tomaten, Broccoli, Paprika III - Patente auf Pflanzen? - Youtube
- Blogbeitrag WIPO Standard 26 für Sequenzprotokolle bei internationalen Patentanmeldungen

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