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BPatG: Offenbarung der Struktur der KI Netzwerke



Offenbarung der Struktur der KI Netzwerke - Entscheidung des Bundespatentgerichts

Selbst wenn der fiktive Fachmann Methoden aus dem Bereich Machine Learning sowie KI Netzwerke und Zeitreihenanalyse anwenden würde, ist es offensichtlich, dass es sich bei den Angaben „Verbrennungsmotor“, „Trainingsdaten“ und „Motorsteuergerät“ nicht um Verfahrensschritte handelt.

Diese Feststellung aus der Entscheidung 19 W (pat) 32/20 zur Offenbarung der Struktur der KI Netzwerke des Bundespatentgerichts bringt einen wichtigen Aspekt für Patentanmeldungen mit KI Anwendungen auf den Punkt: auch KI Erfindungen müssen im Patentanspruch ausreichend offenbart und verständlich definiert sein.

Wie das in der Praxis auszusehen hätte, zeigt die hier besprochene Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Verfahren zur Bestimmung und Prädiktion des individuellen Ölwechselintervalls eines Verbrennungsmotors“.

Der Sachverhalt


Der Erfindung liege laut Patentanmeldung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu schaffen, das die Öllebensdauer für den jeweiligen Verbrennungsmotor mit einer beliebigen individuellen Auslastung bzw. Nutzung bestimmen soll, unter Vermeidung starrer Worst-Case-Intervalle.

Grundsätzlich kommen dabei bekannte Techniken und Prüfsysteme zum Einsatz, die Patentanmeldung nennt u. a.
• den NRTC-Test (ein genormter, dynamischer instationärer Prüfzyklus für mobile Maschinen und Geräte auf dem Prüfstand (Nonroad Transient Cycle (NRTC))

und

• die Zeitreihenanalyse in Kombination mit exponentieller Glättung (eine geläufige Standardmethode der Analyse zur Trendextrapolation).

Durch den Patentanspruch 1 nach Hauptantrag soll ein Verfahren zur Prädiktion und Anzeige des individuellen Ölwechselintervalls eines Verbrennungsmotors unter Schutz gestellt werden. Doch nach Ansicht des Bundespatentgerichts (BPatG) wie auch der Prüfungsabteilung des DPMA ist dies nicht ausreichend offenbart worden.

Insbesondere folgende Fragen blieben nach Ansicht des BPatG offen und wurden nicht ausreichend offenbart:

Wie wird die Prognose des individuellen Ölwechselintervalls ermöglicht?
Und wie sieht die Struktur der KI Netzwerke dazu aus?

Die Berechnung der Prognose


Selbst wenn der Fachmann den zeitlichen Ablauf der Ölprobenentnahme und -analyse zur Bestimmung der Verschleißindikatoren gemäß den Merkmalen der Patentanmeldung in bestimmter Skalierung versteht, mit denen letztendlich die Berechnung des Ölwechselintervalls erfolgt, bleibt nach Ansicht des BPatG die Frage offen, was es bedeutet, dass die Zyklen zeitlich skaliert werden.

Die Berechnung für die Prognose könne auch nicht bei der Realisierung des beanspruchten Verfahrens helfen.
Die Gleichung 6 beispielsweise, eine Steigungsgleichung zu der Prognose, nach wieviel Stunden die obere Schwelle des Ölverschleißes erreicht ist, enthält im Nenner den Faktor length(Forecast vec).

Es sei jedoch nach Ansicht des BPatG für den Fachmann offensichtlich, dass mit diesem Vektor nicht ein Element eines Vektorraums der linearen Algebra bzw. analytischen Geometrie gemeint sein kann, sondern allenfalls der durch die Koordinatendarstellung von geometrischen Vektoren motivierte Vektorbegriff eines sog. n-Tupels reeller Zahlen.
Zwar könnte der Fachmann als Länge „length“ die Anzahl n der im Tupel enthaltenen Elemente verstehen – doch ist das hier ausgeschlossen, da der Vektor “Forecast vec [%]“ als dimensionslos charakterisiert und ihm eine Länge zuordnet wurde, die explizit die Dimension einer Zeit besitzt („FCH [h] … = 48 h…“).

Insgesamt sei die Berechnung für die Prognose nur eine vermeintlich detaillierte Anweisung in der Patentanmeldung, stellte das BPatG fest. Das Merkmal M1.4, wonach eine „Modellbildung und Implementierung in das Motorsteuergerät“ stattfinden soll, sei in zweifacher Hinsicht unverständlich und damit nicht nachvollziehbar.

Struktur der KI Netzwerke – unzureichend beschrieben


Es wird in der Patentanmeldung auch erklärt, dass der jeweilige „gemessene“ Schadensindikator die „Zielgröße“ eines künstlichen neuronalen Netzwerks (Künstliche Intelligenz (KI)) ist, in das die Einflussgrößen integriert oder gemittelt und zusammengefasst eingegeben werden.

Zu den dem Degradationsmodell zugrundeliegenden künstlichen neuronalen Netzen erfährt der Fachmann, dass diese durch heuristische Algorithmen optimiert, an das Verschleißverhalten der Schadensindikatoren angepasst und die Lastzyklen durch das Training der Algorithmen im Motorsteuergerät modelliert würden.

Die Struktur der KI Netzwerke wird in der Anmeldung jedoch nicht beschrieben. Das BPatG bemängelte, dass weder genannt sei, wie viele künstliche Neuronen sich auf wie vielen Schichten (einschichtig oder mehrschichtig, hidden layers) befinden, noch wie diese miteinander verbunden sind (z. B. feedforward, convolutional oder rekurrente Netze).

Was ist mit Training der KI gemeint?


Auch die Trainingsdaten für die Topologie und Struktur der KI werfen eher Fragen auf als das sie nachvollziehbare Anweisungen für einen Fachmann geben.

Laut Patentanmeldung setzen sich die Trainingsdaten aus den gemessenen integralen Einflussgrößen über den jeweiligen Zykluszeitraum und dem Verlauf der Verschleißindikatoren des Öls zusammen. Alle Einflussgrößen würden integriert oder gemittelt und zum Eingangsvektor der für das überwachte Lernen benötigten Trainingsdaten des künstlichen neuronalen Netzwerks zusammengefasst, wobei die Zielgröße der jeweilige gemessene (Ölanalyse)-Schadensindikator sei.

Dabei bleibt jedoch offen, ob die als Zielgrößen angegebenen „gemessenen“ Schadensindikatoren die Ausgabewerte in den Trainingsdaten sind und ob und gegebenenfalls wie die Verschleißindikatoren dabei verwendet werden. Und was ist überhaupt unter einem Schadensindikator zu verstehen? Da könne der Fachmann lediglich vermuten.

Gerade die Beschreibung enthalte eine Vielzahl von fehlerhaften, unklaren bzw. widersprüchlichen Angaben, lautete das Fazit des BPatG, und umfasst jedoch zudem weder ein Ausführungsbeispiel noch eine technische Lehre, die dem Fachmann wenigstens eine Variante des Verfahrens zugänglich machen würde. Die Erfindung in der Anmeldung ist nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG).

Zwar ist nicht erforderlich, dass ein Patentanspruch alle zur Ausführung der Erfindung notwendigen Angaben enthält. Dies erläuterte auch das Bundespatentgericht in seiner Entscheidung.

Doch muss ein generelles Lösungsschema an die Hand gegeben werden, und dieses dann in der Beschreibung oder in Ausführungsbeispielen mit den nötigen Einzelangaben ausgeführt werden.

Unsere Patentanwaltskanzlei hat damit anerkannte Erfahrung, insbesondere auch im Patentschutz für KI Anwendungen.und KI involvierte Erfindungen. Nehmen Sie gerne Kontakt zu unserer Kanzlei Köllner & Partner auf, eine Anfrage ist für Sie kostenfrei und unverbindlich. Telefonisch erreichen Sie uns unter +49 (0)69 69 59 60-0 oder unter info@kollner.eu.



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