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Microsoft Synchronisierung – erfinderisch nach G1/19?



Microsoft Synchronisierung

Ist die Synchronisierung zwischen Geräten eines digitalen Netzwerks und deren Statusdarstellung als erfinderische Tätigkeit anzusehen? Die jüngste Entscheidung T 1027/20 einer Beschwerdekammer des EPA zu einer zurückgewiesenen europäischen Patentanmeldung von Microsoft ist in dieser Hinsicht in zweierlei Hinsicht interessant: Das Dokument D2 ist ein Patent von Microsoft selbst - und die Kammer berücksichtigt in ihrer Begründung die Entscheidung G 1/19 der Großen Beschwerdekammer.

Entscheidung G1/19 der Großen Beschwerdekammer


In der Entscheidung G1/19, die wegweisend ist in Bezug auf computer-implementierte Erfindungen, Modelle und Simulationen, hat die Große Beschwerdekammer im März 2021 erklärt, dass der sogenannte COMVIK-Ansatz auch auf computerimplementierte Simulationen anwendbar ist. Nach dem COMVIK-Ansatz ist es nicht entscheidend, ob das simulierte System oder Verfahren technisch ist oder nicht. Relevant ist vielmehr, ob die Simulation des Systems oder Verfahrens einen Beitrag zur Lösung einer technischen Aufgabe leistet.

Auch wurde in G1/19 erörtert, ob ein beanspruchtes Merkmal eine technische Wirkung auf einen physikalischen Gegenstand in der realen Welt hervorrufen muss, um einen Beitrag zum technischen Charakter des Anspruchs zu leisten. Dies wurde verneint, die Große Beschwerdekammer sah keine Notwendigkeit, in jedem Fall eine direkte Verbindung zur (externen) physischen Realität zu fordern.

Jedoch kann die Verbindung zur physischen Realität zum technischen Charakter beitragen. Messungen, auch indirekte Messungen, haben technischen Charakter, da sie auf einer Interaktion mit der physikalischen Realität zu Beginn der Messmethode beruhen, erklärte die Große Beschwerdekammer in G1/19. Dies gilt unabhängig davon, wie die Ergebnisse genutzt werden (G 1/19, Begründungspunkt 99).

Daten, die zur Steuerung einer technischen Vorrichtung bestimmt sind, kann laut G1/19 ein technischer Charakter zuerkannt werden, weil sie das Potenzial zur Erzeugung technischer Wirkungen haben.

Allerdings ist die Darstellung von Informationen als solche nicht patentierbar im Hinblick auf Artikel 52(2)(d) und (3) EPÜ. Das automatische optische Anzeigen von Zuständen wiederum, die in einer Vorrichtung oder einem System auftreten, ist - gemäß einer EPA Leitsatzentscheidung von 1988 - im Grunde eine technische Aufgabe (T 0115/85 (Computerbezogene Erfindung) of 5.9.1988)).

Wie also ist die Synchronisierung zwischen Geräten eines digitalen Netzwerks und dessen Statusdarstellung zu bewerten?

Microsoft Synchronisierung - erfinderisch?


Die streitgegenständliche Patentanmeldung Presenting availability statuses of synchronized objects beschreibt einen Synchronisationsprozess, der die Phase des "Verschiebens" umfasst, und zwar die Übertragung von Daten vom Host zum temporären Datenbereich des Clients und dann zum kanonischen Speicherort. Das objektive technische Problem sei die Bereitstellung eines Verfahrens, das es einem Benutzer ermöglicht, den Fortschritt eines Synchronisationsprozesses eines Objekts zwischen zwei Computergeräten zu überwachen.

Die EPA Prüfungsabteilung wies die Patentanmeldung zurück wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Dokument D1 des Standes der Technik (D1: S. Kim, "Java Web Start", September 2001). Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde der Patentanmelderin, die zu der vorliegenden aktuellen Entscheidung führte.

Die Beschwerdekammer führte außerdem das Dokument D2 in das Verfahren ein – und das ist interessanterweise ein Patent von Microsoft selbst, aus dem Jahr 2007 (D2: WO 2007/008996, veröffentlicht im Januar 2007, das Patent Single View of Data in a networked Computer System with Distributed Storage.).
Wie die jetzige Patentanmeldung offenbart D2 einen Synchronisationsprozess mit einer Phase des "Verschiebens". Von der streitgegenständlichen Patentanmeldung unterscheidet sich das im Wesentlichen nur dadurch, dass D2 nicht ausdrücklich einen Verlagerungsstatus nennt, der den Status auf der Grundlage eines temporären Standorts des Objekts bestimmt und dem Benutzer einen Empfangs- oder Anforderungsstatus anzeigt.

Die Beschwerdeführerin – die Microsoft Technology Licensing, LLC - argumentierte, dass die Identifizierung der drei Phasen der Synchronisation sich von D2 unterscheide und bereits erfinderisch sei, nämlich die Phasen Verschieben, Empfangen und Anfordern.

Entscheidung der Beschwerdekammer


Die Beschwerdekammer erkannte an, dass die Information des Benutzers über den Fortschritt eines technischen Vorgangs grundsätzlich ein technisches Problem darstellt. Dies habe sich mit der Entscheidung G 1/19 der Großen Beschwerdekammer nicht geändert, erläuterte die Beschwerdekammer. Denn auch in G 1/19 sei erklärt worden, dass Messungen technischen Charakter haben, da sie auf einer Interaktion mit der physikalischen Realität zu Beginn der Messmethode beruhen.

Jedoch sei es zum Prioritätsdatum der vorliegenden Anmeldung üblich gewesen, Informationen über den Stand eines Verfahrens anzuzeigen, z. B. mit Hilfe von Fortschrittsanzeigern. Auch D2 zeige an, ob ein Objekt synchronisiert ist oder nicht, erklärte die Beschwerdekammer. Für den Fachmann wäre es daher ein Leichtes, das Objekt zu synchronisieren, indem er es an einen vorübergehenden Ort herunterlädt, und die Darstellung von Dokument D2 um einen der drei nicht synchronisierten Zustände "Verlegen", "Empfangen" und "Anfordern" zu erweitern.

Die Beschwerde wurde daher zurückgewiesen. Anspruch 1 erfülle nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ, da er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, heißt es in der Entscheidung T 1027/20 (Availability status/MICROSOFT TECHNOLOGY LICENSING) vom 15.2.2023.

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