EPA: KI Erfindung mit Meta-Learning Schema
In einer kürzlichen Entscheidung vor der einer Beschwerdekammer des EPA wurde über eine KI Erfindung verhandelt. In der Sache ging es dabei um die Erfinderische Tätigkeit durch Anwendung eines sogenannten Meta-Learning Schematas und ob diese Anwendung ausreichend offenbart wurde.
Diese Entscheidung warf zudem die interessante Frage auf:
Wie ist zu argumentieren, wenn es für einen neuen Technik Bereich wie KI zwar Stand der Technik zum Nachweis dessen gibt, was ein Fachmann unter bestimmten Begriffen versteht, dieser Nachweis aber nicht von der Prüfungsabteilung anerkannt wird?
KI Erfindung mit einem Meta-Learning Schema
Das Streitpatent beschreibt eine KI Erfindung mit der Anwendung eines bereits bekannten Meta-Lernschemas (Stand der Technik aus AX1) zur Lösung des Problems der Vorhersage personalisierter Interventionen für einen Patienten in Prozessen, deren Substrat Grundlage die neuronale Plastizität ist.
Unter neuronaler Plastizität versteht man die Eigenschaft von Synapsen, Nervenzellen oder auch ganzen Hirnarealen, sich in Abhängigkeit von der Verwendung in ihren Eigenschaften zu verändern.
Der Sachverhalt
In der angefochtenen Entscheidung wurde von der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts (EPA) festgestellt, dass Anspruch 1 in bezug auf das Dokument D1 in Verbindung mit dem Dokument D11 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und zudem die Erfordernisse des Art. 84 EPÜ nicht erfüllt.
Es handelt sich um diese beiden Dokumente:
D1: Gibert et al., "Response to traumatic brain injury neurorehabilitation through an artificial intelligence and statistics hybrid knowledge discovery from databases methodology", Medicinsky Arhiv, Sarajevo, vol. 63, no. 3, June 2008, 132-5
D11: WO 2007/079181
Die Patentanmelderin legte dagegen eine Beschwerde ein und verwies darauf, dass Patentanspruch 1 die Verwendung eines Algorithmus oder einer Strategie auf dem Gebiet des Meta-Lernens vorsehe und sich insofern deutlich unterscheide. Dieses sogenannte Meta-Learning Schema wird wiederum durch AX1 offenbart (AX1: Prodromidis, et al. "Meta-learning in distributed data mining systems: Issues and approaches"), wodurch das Klarheitserfordernis des Art. 84 EPÜ erfüllt werde.
Die Prüfungsabteilung war jedoch nicht der Behauptung der Patentanmelderin gefolgt, dass die Begriffe im einschlägigen Stand der Technik hinsichtlich eines Meta-Learning Schematas tatsächlich feststehende Bedeutungen hätten und akzeptierte AX1 nicht als Beweis für ein diesbezügliches allgemeines Fachwissen.
Meta-Lernschema ein allgemeines Fachwissen im Bereich KI?
Vor der Beschwerdekammer wurde daher zunächst geklärt: Gehören Meta-Learning Schemata zum allgemeinen Fachwissen im Bereich KI?
Anders als die Prüfungsabteilung verfolgte die Beschwerdekammer zur Lösung dieses Problems eine andere Strategie. Sie zog die AX1 schlicht als nächstliegenden Stand der Technik heran und übernahm damit auch die darin offenbarte Terminologie. Zwar folgte sie damit dem Vorbringen der Patentanmelderin, dass die Erfindung dasselbe allgemeine Meta-Learning Schemata verwendet. Doch konnte der Patentanmelder dies nicht zu seinem Vorteil nutzen. Denn indem die Beschwerdekammer AX1 zum nächstliegenden Stand der Technik erklärte, wurde AX1 nach Ansicht der Kammer ein geeigneterer Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Damit aber blieb der Patentanmelderin kaum noch Argumentationsspielraum.
Neu und Erfinderisch?
In Bezug auf die erfinderische Tätigkeit hatte die Patentanmelderin vorgetragen, die Anwendung des Meta-Learning Schematas zur Modellierung und Steuerung von Prozessen sei im Zusammenhang mit der Plastizität des Gehirns eine neuartige und erfinderische Strategie.
Dieser Argumentation folgte die Beschwerdekammer nicht: die bloße Anwendung einer bekannten maschinellen Lerntechnik auf Probleme in einem bestimmten Bereich sei ein allgemeiner Trend in der Technik (siehe T 161/18). In dem Verfahren nach Anspruch 1 aber sei kein naheliegendes Detail der Anwendung des Meta-Lernschemas von AX1 auf das vorliegende Problem zu erkennen, das über eine bloße Wiederholung des in AX1 offenbarten Schemas auf abstrakter Ebene hinausgeht.
Daher liege keine erfinderische Tätigkeit vor. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht nach Ansicht der Beschwerdekammer nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Ausreichend offenbart?
Die konkrete Anwendung des Meta-Lernschemas sei zudem nicht hinreichend klar und vollständig offenbart, entschied die Beschwerdekammer.
Es fehlte nach Feststellung der Kammer an:
• einem Beispielsatz von Trainingsdaten und Validierungsdaten;
• Angaben für eine Mindestanzahl von Patienten, aus denen Trainingsdaten zusammengestellt werden sollten, um eine aussagekräftige Vorhersage treffen zu können, sowie die Menge der relevanten Parameter; und
• einer Struktur der als Klassifikatoren verwendeten künstlichen neuronalen Netze, ihre Topologie, Aktivierungsfunktionen, Endbedingungen oder Lernmechanismen.
Eine Konkretisierung einer Anwendung ist grundsätzlich erforderlich für eine erfolgreiche Patentanmeldung. Diese fehlt der vorliegenden Patentanmeldung aber im Grunde gänzlich. Entsprechend kommentierte die Beschwerdekammer, die Offenbarung gleiche „eher einer Einladung zu einem Forschungsprogramm“.
Schlussendlich wurde die Beschwerde vollständig zurückgewiesen (Entscheidung T 1191/19 - Neuronal plasticity).
Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass dieser Fall in zweierlei Hinsicht sehr lehrreich ist. Zum einen vermittelt diese Entscheidung einen guten Überblick über den Anspruch des EPA an konkreten Ausführungen in einer KI bezogenen Patentanmeldung.
Zum anderen aber zeigt sich, dass Patentanmelder viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl mitbringen müssen, um sich erfolgreich auf– womöglich neues – allgemeines Wissen beziehen zu können.
Diese Erfahrung und strategische Argumentation für Patentanmeldungen bietet unsere Kanzlei Köllner & Partner.
Sprechen Sie uns gerne unverbindlich an, telefonisch unter +49 (0)69 69 59 60-0 oder auch gerne unter info@kollner.eu.