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Laser-Anwendung: neu? erfinderisch? nach Norm?



Laser-Anwendung: neu? erfinderisch? auch nach Norm?

In einer aktuellen Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts im Kontext einer Laser-Anwendung sind die Prüfung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit interessante Aspekte.

Ein anderer interessanter Aspekt ist die Frage nach der Norm für Medizinprodukte:
muss der fiktive Fachmann zwingend die Norm des Medizinprodukts bei der Auslegung der Dokumente berücksichtigen?

Der Sachverhalt


Die vorliegende Laser-Anwendung, geschützt durch das Europäische Patent Patterned Laser treatment of the retina, betrifft eine therapeutische Augenbehandlung mit Laser-Anwendung und ein entsprechendes Medizinprodukt. Die im Patent beschriebene panretinale Photokoagulation (PRP) ist eine allgemein bekannte Standardbehandlung, bei der Bereiche der Netzhaut mit gestreuten Laserverbrennungen behandelt werden.

Das System des Patents verwendet einen Scanner, um den Laserstrahl von einer Behandlungsstelle zu einer anderen zu bewegen. Beschrieben wird eine Ausführungsform mit einem Laserstrahl, der ein Ausrichtungsmuster liefert wie z. B. drei separate Punkte.

Die beiden Merkmale
a) Ausrichtungsmuster mit separaten Punkten und
b) die Bewegung des Ausrichtungsstrahls

sind die relevanten Unterscheidungsmerkmale.

Einwand: Anspruch 1 abweichend von ursprünglicher Ausführungsform


Die Einsprechenden (die Valon Lasers Oy (Finnland) und Carl Zeiss Meditec AG (Deutschland)) zweifelten die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit an, mit mehreren relevanten Entgegenhaltungen.

Zudem machten sie geltend, dass Anspruch 1 abweichend sei von der Ausführungsform mit Ausrichtungsmuster in der erteilten Fassung (Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ). In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen sei keine derartige Ausführungsform offenbart, bei der der Ausrichtungsstrahl ein einziger Strahl war und das Muster durch den Scanner erzeugt wurde, der diesen einzigen Strahl bewegte.

Die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts wies diesen Einwand zurück. Das Merkmal „der Ausrichtungsstrahl liefert ein sichtbares Ausrichtungsmuster, das eine Vielzahl von ‚separaten Punkten‘ umfasst“, könne durch einen einzelnen Strahl oder auch einen Mehrfachstrahl realisiert werden. Da aber der Scanner den Ausrichtungsstrahl von separaten Punkten zu anderen lenkt, könne der im Anspruch 1 beschriebene Strahl kein Mehrfachstrahl sein, das sei technisch nicht sinnvoll.

Das Ausrichtungsmuster werde also durch die Kombination von Ausrichtstrahl und Scanner erzeugt. Der Anspruch 1 enthalte keinen zusätzlichen Gegenstand, stelle die Beschwerdekammer fest.

„separate Punkte“ – Unterscheidungsmerkmal der Laser-Anwendung?


Ebenfalls argumentierten die Einsprechenden, die „separaten Punkte“ (in Engl: "separated spots") seien vielleicht optisch unterscheidbar, hätten aber nicht notwendigerweise einen Abstand zwischen sich. Und selbst wenn man davon ausgehe, dass die Punkte einen Abstand haben, würde die Tatsache, dass D10 auf die Behandlung eines einheitlichen Koagulationsspots abzielte, nicht bedeuten, dass D10 keine „getrennte Punkte“ enthielt.

Doch auch diesen Einwand wies die Beschwerdekammer zurück.

Alle Ausführungsformen des Patents offenbarten getrennte Spots, d. h. Spots, die physisch nicht miteinander verbunden oder voneinander Abstand haben. Außerdem sei es für den Fachmann klar, dass alle Spots voneinander getrennt sein müssen. Da die voneinander getrennten Behandlungsstellen mit den Zielpunkten übereinstimmen müssen, sind die Zielpunkte zwingend auch „separate Punkte“.

D10 wiederum habe überhaupt kein sichtbares Ausrichtungsmuster mit einer Vielzahl von separaten Punkten offenbart, stellte die Beschwerdekammer fest. Die Kammer verwies darauf, dass die Vorrichtung von D10 nicht für jede Behandlungsstelle einen Ausrichtungspunkt auf die Netzhaut projiziert, sondern nur die in einer Figur gezeigten Kontur. Außerdem gebe die Ausrichtung von D10 (mit einem kleinen, abtastendem Laserstrahl zu koagulieren, um den gesamten Bereich abzudecken) keinen Grund, ein Ausrichtungsmuster mit separaten Punkten auf die Netzhaut zu projizieren.

Laser-Anwendung - neu und erfinderisch


Daher entschied die Beschwerdekammer, dass sowohl Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegenüber den Entgegenhaltungen vorliegen.

Zwar waren die Entgegenhaltungen gegen die vorliegende Laser-Anwendung durchaus relevant. In D10 beispielsweise wird ein Laserbehandlungssystem mit den Merkmalen der Präambel von Anspruch 1 offenbart, in D9 ein Lasersystem zur Mikrophotokoagulation der Netzhaut, das die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 umfasst („akusto-optischer Deflektor“) und in D5 die Anwendung eines kleinen Niedrigenergiestrahls, der über einen größeren Behandlungsbereich gescannt wird, um diesen Bereich vollständig zu koagulieren – mit einem Muster von getrennten Behandlungsstellen.

Doch die Entgegenhaltungen seien entweder in Bezug auf die „separaten Punkte“ oder in Bezug auf die Bewegung des Scanners unterschiedlich zu dem angefochtenen Patent, stellte die Beschwerdekammer fest, daher sei das angefochtene Patent sowohl neu als auch erfinderisch.

Norm für Medizinprodukt – Teil des Fachwissens


Doch ist das angefochtene Patent auch erfinderisch in einer Kombination der Entgegenhaltungen mit dem allgemeinen Fachwissen (D8)?

Dies ist ein interessanter Einwand, denn das allgemeine Fachwissen umfasst vorliegend die in D8 offenbarte Norm für ein Medizinprodukt, nach der u. a. der Behandlungsort eines therapeutischen Lasers sichtbar angegeben werden muss.

Bedeutung der Norm zur Dokumentauslegung – eine Vorlagefrage?


Die Carl Zeiss Meditec AG wollte die Bedeutung der Norm für Medizinprodukte in Bezug auf die Auslegung eines Dokumentes von der Großen Beschwerdekammer einordnen lassen und legte entsprechende Vorlagefragen vor.

Die Vorlagefrage lautet: „Ist bei der Auslegung eines Dokumentes …. für den Fachmann eine Einhaltung von Normen … zwingend zu berücksichtigen?“

Die Entscheidung, ob eine Frage vorgelegt wird oder nicht, liegt im Ermessen Entscheidung der Beschwerdekammer (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern 10. Auflage 2022, V.B.2.3.2). Und damit eine Vorlage zulässig ist, muss die vorgelegte Frage für die Entscheidung des betreffenden Falles relevant sein.

Die vorliegende sei das aber nicht, entschied die Beschwerdekammer. Das allgemeine Fachwissen, das durch die in D8 offenbarte Norm veranschaulicht wird, motiviert den Fachmann nicht dazu, ein Ausrichtungsmuster aus „separaten Punkten“ durch einen Ausrichtungsstrahl auf die Netzhaut zu projizieren, entschied die Beschwerdekammer.
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei daher auch dann als erfinderisch zu anzusehen, wenn die Norm 8 berücksichtigt würde. Die Vorlagefragen seien daher für die Entscheidung der Rechtssache nicht relevant, entschied die Kammer.

Zudem gebe es bei den Normen große lokale Abweichungen, ergänzte die Kammer. Nach ihrer Ansicht wäre es nicht gerechtfertigt, von dem fiktiven Fachmann zu erwarten, dass er die Dokumente des Standes der Technik immer so auslegt, dass sie mit jeder möglicherweise anwendbaren Norm übereinstimmen.

Die Beschwerdekammer lehnte daher eine Verweisung der Vorlagefragen an die Große Beschwerdekammer ab und wies die Beschwerde der Einsprechenden vollständig zurück (T 0261/18).

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