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EPA: Stoffliche Zusammensetzung in industriellem Material



EPA: Stoffliche Zusammensetzung in industriellem Material<br />

Wie muss die stoffliche Zusammensetzung in industriellem Material in einer Patentanmeldung ausgeführt sein?
Ist die stoffliche Zusammensetzung genau genug beschrieben? Und gilt das Ausführungsbeispiel als ausreichend auch dann, wenn es nur in einer Auswahlliste von Ausführungsbeispielen steht?

Anhand zweier Fallbeispiele aus aktuellen Entscheidungen des Europäischen Patentamts geben wir praktische Hinweise.

Im ersten der Fälle ging es um den Vorwurf der nicht ausreichenden Offenbarung, also die Feststellung, dass ein fiktiver Fachmann die Lehre des Patents nicht ohne Weiteres nachvollziehen könnte.
Und der zweite der Fälle betrifft den Vorwurf, der Gegenstand von Anspruch 1 gehe über den Inhalt der Patentanmeldung in der eingereichten Fassung hinaus.

Stoffliche Zusammensetzung in industriellem Material: Basisharz


Unser erstes Fallbeispiel zur stofflichen Zusammensetzung in industriellem Material betrifft das Europäische Patent Nr. 2 740 761, das ein Basisharz (eine multimodale Polyethylenzusammensetzung) mit spezifischen Merkmalen beschreibt. Solche Harze gehören zum bekannten Stand der Technik, entsprechend spezifisch hatte die Patentanmelderin des Streitpatents die Patentanmeldung eingereicht.

Das im Streitpatent beschriebene Basisharz muss laut Patentanspruch eine Reihe von Bedingungen erfüllen (Dichte, gewichtsmittleres Molekulargewicht, komplexe Viskosität und Scherverdünnungsindex) als Teil einer Zusammensetzung und gleichzeitig diese drei Bedingungen (Schmelzflussrate (MFR21), Charpy-Kerbschlagzähigkeit bei 0°C und Druckfestigkeit).

Dieses Patent wurde angefochten mit Stützung auf D1 (WO-A-00/22040), das ebenfalls die Herstellung eines multimodalen Basisharzes beschreibt.
In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass Anspruch 1 in dem gemäß Hilfsantrag 2 geänderten Streitpatent ausreichend offenbart sei, u. a. weil es eine hinreichende Anleitung für einen Siebungsschritt des Basisharzes enthielt und auch eine Anleitung, um das Material in der stofflichen Zusammensetzung mit den im Patent definierten Eigenschaften zusammenzustellen.

Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung legten sowohl der Patentinhaber (Beschwerdeführer I) als auch die Einsprechenden 1 und 2 (Beschwerdeführer II bzw. III) Beschwerde ein vor der Beschwerdekammer des EPA. Über diese Beschwerde wurde kürzlich entschieden (15. September 2023, T 2425/19).

Die Patentinhaberin stellte mit der Beschwerdebegründung mehrere Hilfsanträge vor, von denen hier die Hilfsanträge 16 und 17 genannt sein sollen. Relevant ist vor allem der Aspekt „Vorhandensein eines Siebschritts“.

Komposition von Industriellem Material


Fakt ist, dass die Teilchengröße des durch das im Streitpatent offenbarte mehrstufige Polymerisationsverfahren erhaltenen Harzes in einer Randnummer des Streitpatents erörtert wird. Die Teilchengröße wird in allgemeiner Form durch bevorzugte Bereiche definiert.
Doch es wird weder in der Beschreibung noch in einem konkreten Beispiel des Streitpatents der nötige Siebschritt genannt, der zu den definierten Eigenschaften das Basisharzes gemäß Patentanspruch führt, stellte die Beschwerdekammer fest und wies daher den Hilfsantrag 16 sowie noch weitere Hilfsanträge zurück wegen nicht ausreichender Offenbarung.

In Hilfsantrag 17 wurde der Patentanspruch noch weiter eingeschränkt. Demnach werden eine Reihe von Bedingungen an das Basisharz des Streitpatents gestellt in Bezug auf seine Dichte, sein gewichtsmittleres Molekulargewicht, seine komplexe Viskosität und seinen Scherverdünnungsindex.

Doch auch dies sah die Beschwerdekammer nicht als ausreichende Offenbarung an, die ein Fachmann nachvollziehen könnte.
Zwar offenbart das Streitpatent diese Merkmale und Bereiche, stellte die Beschwerdekammer fest, jedoch unabhängig voneinander. Das Streitpatent enthalte keine Lehre, die zeigt, wie diese Bereiche in Kombination erreicht werden könnten, wie es im operativen Anspruch 1 gefordert wird. Der Hilfsantrag 17 wurde daher als nicht ausrechend offenbart angesehen.

Die Entscheidung der eingeschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents der Einspruchsabteilung und das Patent wurden widerrufen.

Zusammensetzung in industriellem Material: Indstrielle Schmierstoffe


Unser zweites Fallbeispiel für stoffliche Zusammensetzung in industriellem Material betrifft das Streitpatent Schmierstoffe mit verbessertes Dichtungsverträglichkeit, das Europäische Patent Nr. 2 771 441. Auch bei diesem Patent ging es um einen Einspruch mit Entgegenhaltungen von bereits bekanntem Stand der Technik.

Streitfrage um dieses Patent war, ob nur eine Auswahl, nämlich die des geschwefelten Olefins mit einem Schwefelgehalt von mindestens 20 Gew.-%, erforderlich sei, um zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen. Genau diese Auswahl wurde in einer Liste von acht scheinbar nicht miteinander verbundenen Ausführungsformen der Patentanmeldung in der eingereichten Fassung erwähnt.

Die Einspruchsabteilung hatte das Streitpatent in der Fassung des 2. Hilfsantrags für patentfähig erklärt und die eine Auswahl des geschwefelten Olefins für ausreichend erklärt.

Doch vor einer der Beschwerdekammern des EPA hielt konnte das nicht überzeugen.
Der Absatz, der die Liste mit den Ausführungsformen enthielt, sei im Hintergrundteil der Patentanmeldung enthalten. Solche Abschnitte können im Allgemeinen nicht ohne weiteres als relevant für die Erfindung der Anmeldung in der eingereichten Fassung angesehen werden, erklärte die Beschwerdekammer.

Es möge zwar zutreffen, ergänzte die Beschwerdekammer, dass der Hintergrundteil, wie von der Beklagten vorgetragen, auf die mit der Erfindung zu lösende Aufgabe (Schutz von Dichtungen) anspielt und dabei geschwefelte Olefine als schädlich für Dichtungen erwähnt werden. Doch würden dabei nicht nur Hochdruckadditive wie schwefelhaltige Olefine, sondern auch andere Klassen von Additiven genannt und als dichtungsschädigend offenbart.

Außerdem wies die Beschwerdekammer auf den Wortlaut im Absatz der Ausführungsformen zu der stofflichen Zusammensetzung des Materials hin, insbesondere die Formulierung "häufig verwendet in [...] Anwendungen, einschließlich einiger Hochdruckmittel wie sulfurierte Olefine".
Aus dieser Formulierung gehe nicht hervor – wie die Patentanmelderin argumentierte -, dass Schmiermittelzusammensetzungen unbedingt Hochdruckadditive enthalten müssen, geschweige denn sulfurierte Olefine oder sogar sulfurierte Olefine mit einem Schwefelgehalt von mindestens 20 Gew.-%.

Auch in diesem Fall entschied die Beschwerdekammer, die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung und das Streitpatent zu widerrufen (15. Juni 2023, T 2004/20). Der Gegenstand von Anspruch 1 gehe über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus.

Klarheit im Patentanspruch


Unzureichende Offenbarung und unzulässige Erweiterung sind gewissermaßen zwei Seiten desselben Sachverhalts: wenn es an Klarheit im Patentanspruch fehlt, ist ein Patent anfechtbar.
Umso wichtiger ist der strategische und im Detail ausgearbeitete Entwurf einer Patentanmeldung.

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