Technische Wirkung - BGH Leitsatzentscheidung Schlossgehäuse
Technische Wirkung ist relevant für die Argumentation vor den Patentämtern und Patentgerichten. Mit der kürzlich veröffentlichten BGH Leitsatzentscheidung Schlossgehäuse (X ZR 51/21) legt der Bundesgerichtshof die wesentlichen Anforderungen an die technische Wirkung fest, die einen Teil der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit abdeckt.
Technische Wirkung und Erfinderische Tätigkeit
In Verfahren um die Patentfähigkeit eines Streitpatents und die Erfinderische Tätigkeit ist stets von zentraler Bedeutung, welcher Stand der Technik als Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen wird und ob durch die beanspruchte Erfindung eine technische Wirkung erzielt wird, die über den Stand der Technik hinausweist.
Denn gemäß § 4 PatG gilt die grundsätzliche Vermutung, dass Erfinderische Tätigkeit vorliegt, wenn eine Erfindung '…sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.'
Vor den deutschen Gerichten ist daher der der wesentliche Ansatz, dass das Denken des Fachmanns nachvollziehbar sein muss. Die Überprüfung dessen geschieht auch in Deutschland in mehreren Schritten, so auch in der BGH Leitsatzentscheidung Schlossgehäuse:
Hier wurde zunächst eine Aufgabe bestimmt, die sich aus dem technischen Problem / Nachteile des Standes der Technik ergibt, die der fiktive Fachmann sehen würde. Vorliegend ist diese Aufgabe, ein Gehäuse zu erhalten, das Stabilität und einfache Montage vereint und auftretende Federkräfte möglichst nicht auf die elektrischen Bauteile überträgt.
Dann wird nachvollzogen, ob und wie der Fachmann die Lösung, die technische Lehre gefunden hätte, die die Erfindung ausmacht. Im Fall Schlossgehäuse ist das eine Omega-förmige Ausbildung der Anschlussleiter gemäß Merkmal l.
In der weiteren Diskussion stellte der BGH dazu fest, dass eine Omega-förmige Ausgestaltung bestimmte Teilmerkmale aufweisen muss (die das Streitpatent auch als Figur zeigte). Als unerheblich sah der BGH dagegen an, ob und wie der Begriff "tulpenförmig" im Sprachgebrauch des Streitpatents von der Bezeichnung "Omega-förmig" abgegrenzt werden kann.
Merkmale nur stützend mit bestimmter technischer Wirkung
In Bezug auf die Merkmale betonte der BGH die technische Wirkung und den technischen Zweck. Auch nach bisheriger Rechtsprechung müssen Merkmale der Patentschrift verbunden sein mit einem bestimmten technischen Zweck. Mit der vorliegenden Leitsatzentscheidung Schlossgehäuse hat nun der BGH diese Rechtsprechung mit zwei klaren Leitsätzen auf den Punkt gebracht:
a) Eine erfinderische Tätigkeit kann nicht auf ein Merkmal gestützt werden, das eine beliebige, von einem bestimmten technischen Zweck losgelöste Auswahl aus mehreren Möglichkeiten darstellt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 - X ZR 56/03, GRUR 2008, 56 Rn. 25 – Injizierbarer Mikroschaum; Urteil vom 27. November 2018 - X ZR 41/17, Rn. 46).
b) Mit einem Merkmal verbundene besondere Vorteile können nur dann zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden, wenn sie in der Patentschrift offenbart oder für den Fachmann erkennbar sind (Bestätigung von BGH, Urteil vom 27. November 2018 - X ZR 41/17, Rn. 46).
BGH Erläuterungen zur technischen Wirkung
Zweck- und Funktionsangaben in einem Sachanspruch beschränken dessen Gegenstand regelmäßig nicht auf den angegebenen Zweck oder die angegebene Funktion, erläuterte der BGH.
Sie definieren den durch das Patent geschützten Gegenstand regelmäßig nur dahin, neben der Erfüllung der weiteren räumlich-körperlichen Merkmale auch so ausgebildet zu sein, dass er für den angegebenen Zweck verwendet werden oder die angegebene Funktion erfüllen kann.
Er muss mithin objektiv geeignet sein, den angegebenen Zweck oder die angegebene Funktion zu erfüllen. Auch mit einer solchen Konkretisierung bleibt der auf eine Vorrichtung gerichtete Anspruch ein Sachanspruch. Es kommt weder auf die tatsächliche Verwendung einer Sache an, noch welcher Verwendung sie dient.
Fazit
Welche technischen Wirkungen sind also bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen und welche gegebenenfalls nicht?
Es werden kurz gesagt alle die Merkmale berücksichtigt, mit denen ein konkreter, bestimmter Zweck verbunden sind.
Und ebenso wesentlich ist der Aspekt, dass diese Zweck- und Funktionsangaben in der Patentschrift auch offenbart sein müssen. Wenn diese im Anmeldezeitpunkt zwar objektiv bestanden, aber erst im Nachhinein der Fachwelt erkennbar sind und als solche zugänglich gemacht werden, sind solche Merkmale nicht zu berücksichtigen für die erfinderische Tätigkeit.
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