Aktuelles

EuGH zu technischer Funktion im Industrie Design



EuGH zum Industrie Design Packaging Device

Gerade im Industrie Design gibt es häufig eine enge Verknüpfung zwischen technischen und den gestalterischen Aspekten. Ist aber ein Design ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt, kann es keinen Schutz als Design beanspruchen.

Technische Funktion im Industrie Design


Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ((EuGH, Urteil vom 8. März 2018, DOCERAM, C-395/16, EU:C:2018:172) stützt sich die Prüfung eines Geschmacksmusters, ob die Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind, auf
i) die objektiven Umstände, aus denen die Motive für die Wahl der Erscheinungsmerkmale des betreffenden Erzeugnisses deutlich werden,
ii) auf Informationen über dessen Verwendung
iii) oder auch auf das Bestehen alternativer Geschmacksmuster, durch die sich dieselbe technische Funktion erfüllen lässt.

Zu einem solchen Fall hat jetzt der Europäische Gerichtshof über ein Vorabentscheidungsersuchen entschieden (2. März 2023, C 684/21). Dieser Rechtsstreit um ein europäisches Design und den Schutz als Gemeinschaftsgeschmacksmuster betrifft ein Verpackungsgerät (engl: Packing Device) der Gesellschaft Sprick (Deutschland).

Der Rechtsstreit ‚Papierspender‘ durch mehrere Instanzen


Hintergrund zu dieser EuGH Entscheidung ist ein Rechtsstreit zwischen der Papierfabriek Doetinchem BV und der Sprick GmbH Bielefelder Papier- und Wellpappenwerk & Co.
Sprick erhob eine Verletzungsklage gegen erhob Sprick beim Landgericht Düsseldorf (Deutschland) gegen Papierfabriek Doetinchem wegen einer angeblichen Verletzung von Rechten aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster ‚Packing Device‘, dessen Inhaber Sprick ist.

Papierfabriek Doetinchem erhob daraufhin Widerklage auf Nichtigerklärung dieses Geschmacksmusters mit der Begründung, dass alle seine Merkmale allein durch die technische Funktion des betreffenden Erzeugnisses bedingt seien. Diese Klage wurde zu einem Verfahren durch mehrere Instanzen:

18. Mai 2017: Das erstinstanzliche Landgericht Düsseldorf wies die Widerklage ab

27. Juni 2019: Das OLG Düsseldorf gab der Widerklage statt; vor allem berücksichtigte das OLG die von Sprick beanspruchte Patentoffenlegungsschrift EP 2 897 793 für das als Design geschützte Verpackungsgerät, in der alle Merkmale dieses Erzeugnisses als technisch vorteilhaft erläutert worden seien.

7. Oktober 2020: Der BGH hob die Entscheidung vom OLG Düsseldorf auf und verwies den Fall zurück an das OLG (BGH – Papierspender, I ZR 137/19).

BGH Entscheidung Papierspender


Der Begriff der technischen Funktion eines Erzeugnisses im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GGV ist tendenziell weit zu verstehen, erklärte der BGH, und nicht notwendigerweise deckungsgleich mit der durch ein Patent geschützten technischen Lehre. Das OLG Düsseldorf habe der Patentoffenlegungsschrift EP 2 897 793 von Sprick zu große Bedeutung beigemessen und nicht sämtliche relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls berücksichtigt.

Nach Ansicht des BGH hätte das OLG Düsseldorf erwägen müssen, ob nicht bei der Ausgestaltung des betreffenden Erzeugnisses aus zwei verbundenen Bauteilen auch visuelle Erwägungen eine Rolle gespielt hätten, weil eine solche Gestaltung die Realisierung eines zweifarbigen Erzeugnisses ermögliche, wie das real vertriebene Erzeugnis zeige. Außerdem habe das OLG Düsseldorf nicht außer Betracht lassen dürfen, dass Sprick über eine Reihe von Geschmacksmustern für alternative Formen verfüge, mit denen sich dieselbe technische Funktion verfolgen lasse wie mit dem nach dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Geschmacksmuster ausgeführten Erzeugnis.

Das OLG Düsseldorf stellte daraufhin fest, dass die Zweifarbigkeit nicht aus der Eintragung dieses Geschmacksmusters ersichtlich sei und setzte das Verfahren aus. Das OLG ersuchte um eine Vorabentscheidung durch den EuGH, die diese nun beantwortete.

Das Vorabentscheidungsersuchen


Welche Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass der Inhaber des Geschmacksmusters auch für eine Vielzahl alternativer Geschmacksmuster über Musterrechte verfügt, vor allem, wenn die Alternativen die gleiche technische Funktion erfüllen können?

Und ist Mehrfarbigkeit zu berücksichtigen bei der Prüfung eines Geschmacksmusters, ob die Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind – auch wenn die farbliche Gestaltung aus der Design Eintragung nicht ersichtlich ist?

Sind alternative Geschmacksmuster relevant?


Der EuGH beantwortete die 1. Vorlagefrage mit „JA“:
In der Frage, ob die Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses (gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002) ausschließlich durch dessen technische Funktion bestimmt sind, ist das Bestehen alternativer Geschmacksmuster, durch die sich diese technische Funktion erfüllen ließe, zu berücksichtigen, entschied der EuGH.

Nicht relevant ist dabei, ob und inwieweit der Inhaber des Geschmacksmusters auch Inhaber von einer Vielzahl alternativer Geschmacksmuster ist, ergänzte der Gerichtshof.

Ist Mehrfarbigkeit in jedem Fall zu berücksichtigen?


Die 2. Vorlagefrage beantwortete der EuGH mit „Nein“:
Wenn die Mehrfarbigkeit nicht aus der Eintragung eines Geschmackmusters ersichtlich ist, dann ist diese auch nicht zu berücksichtigen zu der Frage, ob die Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses ausschließlich durch dessen technische Funktion bestimmt sind.

Die bloße Möglichkeit einer Mehrfarbigkeit, die die zweigeteilte Gestaltung des betreffenden Erzeugnisses zulässt, weise einen subjektiven Charakter auf, wenn diese Mehrfarbigkeit in der Wiedergabe des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Geschmacksmusters nicht enthalten ist, erläuterte der EuGH, daher reiche dies nicht aus, um die Anwendung der in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 vorgesehenen Ausnahme auszuschließen.

Einmal mehr zeigt sich an diesem Fall die Relevanz, mit Detailkenntnis des Patent- und Designrechts einen effektiven Schutzanspruch für das Industrie Design aufzustellen für einen möglichst breiten und gesicherten Schutzanspruch.

Unsere Patentanwaltskanzlei verfügt über ausgewiesene Expertise für nationale wie auch internationale Schutzrechtsanmeldungen im Patentrecht wie im Designrecht. Gerne übernehmen wir für Sie die Schutzanmeldungen oder vertreten Sie in einem Beschwerde- oder Nichtigkeitsverfahren.

Sprechen Sie uns an, gerne telefonisch unter +49 (0)69 69 59 60-0 oder unter info@kollner.eu.


Mehr News

Unsere Stärken

Next

Kontakt

Wir bevorzugen den persönlichen Kontakt. Bitte zögern Sie nicht, uns per Telefon oder Email zu kontaktieren.

Telefon: +49 (0)69 69 59 60-0
Telefax: +49 (0)69 69 59 60-22
e-mail: info@kollner.eu

Sie finden uns in der Vogelweidstrasse 8 in 60596 Frankfurt am Main