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BGH: Technische Wirkung der Verschleißteile – Neuherstellung?



BGH: Leitsatzentscheidung Scheibenbremse II

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Leitsatzentscheidung darüber getroffen, unter welchen Voraussetzungen Teile einer Erfindung mit technischen Wirkungen und deren Einbau zu einer Neuherstellung führt. Anlass ist der Rechtsstreit um ein Europäisches Patent für eine Scheibenbremse insbesondere in Kraftfahrzeugen.

Die Beklagte vertreibt Bremsbelagsätze, die als Ersatzteile für von der Klägerin hergestellte Scheibenbremsenmodelle geeignet sind. Zu dem mitgelieferten Einbauzubehör gehören zwei Verschleißbleche. Darin sieht die Klägerin eine mittelbare Patentverletzung ihres europäischen Patents 1 974 150 (Klagepatents).

Das Berufungsgericht hatte der Klage stattgegeben. Der Vertrieb der streitbefangenen Verschleißbleche begründe eine mittelbare Verletzung des Klagepatents. Sie seien ein wesentliches Element der patentgeschützten Erfindung, weil sie im kennzeichnenden Teil des Hauptanspruchs ausdrücklich erwähnt seien und einen entscheidenden Lösungsbeitrag leisteten.

Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Revision ein, über die der BGH mit der vorliegenden Leitsatzentscheidung Scheibenbremse II entschied (BGH, Urteil vom 8. November 2022 - X ZR 10/20 - OLG Düsseldorf). Im Folgenden fassen wir diese Leitsatzentscheidung zusammen:

BGH: Leitsatzentscheidung Scheibenbremse II


„Damit sich die technischen Wirkungen einer Erfindung in bestimmten Teilen widerspiegeln und deren Einbau zu einer die Erschöpfungswirkung verdrängenden Neuherstellung führt, müssen diese in besonderer, auf die Erfindung abgestimmter Weise ausgestaltet sein, um die ihnen zukommende Funktion erfüllen zu können, etwa durch eine besondere Formgebung“ (Zitat BGH Leitsatz Scheibenbremse II).

Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung grundsätzlich in erster Linie maßgeblich, ob die ergriffenen Maßnahmen die Identität des bereits in Verkehr gebrachten konkreten Exemplars eines patentgemäßen Erzeugnisses wahren oder der Schaffung eines neuen Exemplars des patentgemäßen Erzeugnisses gleichkommen.

Diese Abgrenzung muss auch einen angemessenen Ausgleich schaffen zwischen den schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung und den schutzwürdigen Interessen des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des in den Verkehr gebrachten Erzeugnisses (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 - X ZR 55/16, BGHZ 216, 300 Rn. 62 - Trommeleinheit).

Kann eine Verkehrsauffassung festgestellt werden demnach die streitgemäße Handlung als Neuherstellung anzusehen ist, kommt dem in der Regel ausschlaggebende Bedeutung zu. Allerdings kann auch eine Maßnahme, die nach der Verkehrsauffassung nicht als Neuherstellung anzusehen ist, patentrechtlich dennoch als solche zu bewerten sein. Das war wichtig im vorliegenden Fall, denn der Austausch der angegriffenen Verschleißbleche wurde nach der Verkehrsauffassung nicht als Neuherstellung gesehen. Patentrechtlich kann es sich um eine Neuherstellung handeln, wenn sich die technischen Wirkungen der Erfindung gerade in den ausgetauschten Teilen widerspiegeln (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 - X ZR 55/16, BGHZ 216, 300 Rn. 54 - Trommeleinheit).

Auch die Verwirklichung von Vorteilen gehöre zu den technischen Wirkungen der Erfindung und ist für die Abgrenzung bedeutsam, ergänzte der BGH. Und das Berufungsgericht habe zu Recht entschieden, dass die angegriffenen Verschleißbleche sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Doch selbst wenn die angegriffenen Verschleißteile zu den Teilen gehören, in denen sich diese erfindungsgemäßen Wirkungen widerspiegeln, führe ihr Austausch jedoch nicht zu einer Neuherstellung.

Technische Wirkung der angegriffenen Verschleißteile


Die technische Wirkung der angegriffenen Verschleißteile bestehe allein darin, dass sie einem Verschleiß des fest angeschweißten Bremsträgers entgegenwirken. Diese Wirkung reiche nicht aus, um eine Neuherstellung zu bejahen. Durch den Austausch eines bestimmungsgemäß als Verschleißteil ausgebildeten und auf diese Funktion beschränkten Bauteils wird dem davon betroffenen Erzeugnis keine technische Funktion hinzugefügt.

Wenn die maßgebliche Wirkung der zu beurteilenden Teile allein darin besteht, dass sie verschleißen, ist deren Einbau keine Neuherstellung, entschied der BGH. Vielmehr werde die Erhaltung der angestrebten Lebensdauer ermöglicht, dies aber gehöre zu denjenigen Handlungen, zu denen ein rechtmäßiger Erwerber und dessen Nachfolger grundsätzlich befugt sind. Dies gelte auch dann, wenn die Verlängerung der Lebensdauer des Erzeugnisses insgesamt zu den objektiven Vorteilen der geschützten Erfindung gehört.

Im Streitfall ist eine Neuherstellung daher zu verneinen, entschied der BGH.

Auch die Tatsache, dass die Form der Verschleißbleche auf den Bremsträger abgestimmt sein muss, damit sie in die Gesamtvorrichtung eingebracht werden können, steht dem nicht entgegen. Diese Formgebung dient laut BGH nur dem Zweck, die angestrebte Wirkung als Verschleißblech zu gewährleisten.

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage. Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Januar 2020 wurde aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 7. Februar 2019 wurde abgeändert.

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